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Schlagwort: Todesangst

Derealisationen (4)

Eine ziemlich zwecklose Grübelei. Wenn man selbst kein Vater ist (siehe DR3). Also, dachte ich weiter, es gibt vielleicht doch einen Unterschied; die „ontologische Angst“ (siehe DR 2) könnte möglicherweise nicht auf den Tod gerichtet sein, wie die Todesangst, sondern auf das Leben. Sie wäre dann die Angst davor, nicht leben zu können. Oder noch praktischer: Ein verfehltes Leben zu führen, eines, dass man nie gewollt hat. Was ja mindestens so traurig ist wie der Tod. Aber hoffentlich nicht ganz so häufig vorkommt.

So ähnlich – das fällt mir gerade ein – wird von „ontologischer Sicherheit“ gesprochen, also in diesem Fall vom Gegenteil: der „ontologischen Unsicherheit“.

Ontologische Sicherheit (englisch ontological security), auch Seinsgewissheit, ist in der Soziologie nach Anthony Giddens das Vertrauen, das die meisten Menschen in die Kontinuität ihrer Identität und die Konstanz der sie umgebenden sozialen und materiellen Handlungsumwelt haben.[1] Ihr Gegenteil wird ontologische Unsicherheit genannt.
(Wikipedia)

Das ist ziemlich genau das, womit sich meine kleinen „Derealisationen“ hier beschäftigen sollen. Verunsicherungen der Seinsgewissheit. Durch Schock oder irgendwelche drastischen Einbrüche in die „Kontinuität“ des eigenen Dahinlebens. In der Regel wird man der Möglichkeit des Nichtseins ja nur gewahr, durch Todesfälle oder andere existenzielle Schrecklichkeiten. Krankheiten, Unfälle, Verstümmelungen, alles, was man nicht will.
Ob es ein Leben in ontologischer Unsicherheit geben kann, ohne ständig von einem existenziellen Schock in den nächsten zu fallen, und ob es überhaupt wünschenswert ist, den Tod nicht dauernd zu vergessen, ist die Frage, die mich angestoßen hat, mit diesen bröckeligen, manchmal wirren, jedenfalls kurzen Texten eine laienhafte, subjektive Forschung zu beginnen. Eine Forschung, mit der ich meine persönlichen Gewissheiten in Frage stellen möchte. Dafür müsste ich allerdings erstmal durchschauen, welche das sind; welche Überzeugungen lassen mich so leben, wie ich es tue? ( Ha, Abspann … Cliffhanger … demnächst dann neue Grübeleien in Folge 5)

Derealisationen (2)

Ich stieß beim unkonzentrierten Lesen auf einen Absatz, in dem die Rede war von „ontologischer Angst“, und ich blieb an dieser Formulierung hängen, weil dieser philosophische Jargon etwas herausfiel aus dem Text, und ich fragte mich, warum sagt er nicht einfach: „Todesangst“. Ich las den Absatz nochmal und der beste Grund, den ich für diese Formulierung fand, war der, dass sie mich beim Lesen stolpern ließ und darauf aufmerksam machte, dass an dieser Stelle ein Gedanke entwickelt wurde, der nicht einfach überlesen werden sollte: Die „ontologische Angst“ nämlich sei für den Sohn mit dem Tod des Vaters verbunden, der, wenn er denn eingetreten ist, nicht mehr vor dem eigenen Ableben stehen würde, und der Sohn müsste nun quasi dem Tod direkt ins Auge blicken und dabei erkennen: Ich bin als nächster dran.

Vater tot, Sohn, Tod.

Alles verschwindet, nur die psychoanalytische Überhöhung der Vaterrolle nicht. Und die Tochter hat offenbar andere Probleme.

Todesangst und Metaphysik

Vor einigen Wochen führte ich ein ungewöhnliches Telefongespräch mit meiner Mutter. Ungewöhnlich schon deswegen, weil es sonst fast rituell um unwesentliche Dinge des Alltags geht. Kaum verborgen äußerte meine Mutter mir gegenüber ihre Todesangst, vor allem im fortwährenden Bedauern über die fehlende Religiosität ihrer Kinder. Was nämlich zur Folge hätte, dass wir uns dann nach unserem Ableben nicht wiedersähen.

Da die Religiosität meiner Mutter von Ängsten gespeist wird, die das sonst verbreitete Maß wohl deutlich übersteigen und sich von daher ein periodisch eruptiv ausbrechender fundamentalistischer Glaube entwickelt hat, heißt das für sie: im Unterschied zu ihr (falls der Herr nicht noch eine ungesühnte Schuld bestrafen muss) kommen ihre Kinder nicht in den Himmel, sondern leider in die Hölle. Wobei nicht das unweigerliche Leiden der Nachkommen das Problem ist, sondern die ewige Fortsetzung des irdischen Daseins: Einsamkeit, Angst, Depression, Unerlöstheit.

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