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Lost in Media

Derealisationen 12

Was ist daraus geworden? Aus der gefühlten Sicherheit. Die ist weg und auch die illusionären Vorstellungen von Unsterblichkeit, die ich erst bemerkte, als sie sich auflösten. Hatte ich jemals geglaubt, unsterblich zu sein? Natürlich nicht. Aber doch so gelebt und gedacht, ganz unbewußt. Und auch die Idee von Vollendung hat sich verabschiedet, als müsste sich jedes Leben wie ein Kreis schließen, als sei es erst zu Ende, wenn alles getan ist… aber so ist es eben nicht. Es ist vorbei, wenn es vorbei ist, nicht wenn es uns „rund“ erscheint. Das ist so offensichtlich, und doch als echte Erfahrung erst jetzt bei mir angekommen. Dafür mussten Menschen sterben. 

Es ist genug, es reicht jetzt damit. Obwohl sich noch viel angesammelt hat an Text und Notizen. Irgendwann sollte Schluss sein oder eine Wendung eintreten, wieder mehr zum Leben hin. Das war zwar immer mit gemeint, aber vor allem um Trauer und Abschied und so weiter überhaupt als Schmerz richtig begreifen zu können. Das heißt jetzt also, Abschied vom Abschied zu nehmen.

Nur eine Sache bleibt wirklich noch zu tun, nämlich den Übergang hinzubekommen, vom Trauertext zu einem anderen, neuen, der jetzt noch nicht ganz klar ist, der aber herbei geschrieben werden könnte aus dem Wunsch nach Veränderung. So wie der Traurigkeit in den DEREALISATIONEN ein persönliches Denkmal gesetzt wurde, hätte ich jetzt gern VISIONEN von dem noch zu lebenden Leben. Wie es weiter geht. Die Maschine läuft, stockend. 
Es ist ein Anfang mit der Hoffnung auf Besserung, die in diesen letzten Texten steckt. Es lohnt sich nicht, sie wegzuwerfen. 

Letzte Texte 1

Wer einem „friedlich“ Sterbenden zusieht, wartet auf den Moment. Und die Dramaturgie ist dabei oft ähnlich: Die Atemzüge werden tiefer und seltener, die Pausen zwischen ihnen länger, so lang, dass man sich fragt, ob es schon vorbei ist. Aber der letzte Atem ist dann doch eindeutig, weil mit ihm wirklich sichtbar das Leben „ausgehaucht“ wird. Erst dann, tritt eine Veränderung ein, die sofort zu sehen ist: die Leiche, die jetzt erscheint, der Mensch ist bereits Vergangenheit. Die Überreste verändern sich, das kann man gerade in den ersten Minuten eindrücklich sehen, und es wirkt gespenstisch, wie zwischen Leben und Tod, aber wir wissen schon, wie es endet, mit der Zersetzung des Körpers in seine kleinsten Teilchen. Sie werden in dieser Form nicht wieder zusammenkommen. Sind aber noch da. Der Kreislauf geht weiter, ohne den Menschen. Das hat nichts Tröstliches für die, die übrig geblieben sind.

Trost gibt es nicht im Tod, sondern im Leben, er muss vorher gefunden werden, sozusagen vorbereitet werden, am besten mit Sterbenden gemeinsam (und vielleicht noch besser: Bevor sie Sterbende werden).

Letzte Texte 2

Ich erinnere mich vom Fliegen geschrieben zu haben, den Vögeln (DR 5), und den Fischen, die unten herum schweben (Zu den Vielen gehen).

Nun fand ich eine seltsame Entsprechung bei Vilem Flusser. In „Vogelflüge“. 
Aus „Vögel“, dem titelgebenden Text:

Nachdem der Mythos [des Fliegens] aufgehört hat, ein unmöglicher Traum zu sein, wurde er ein unträumbarer Traum, der weiterbesteht. Wenn eine der fundamentalen Thesen des Marxismus lautet, daß verwirklichte Träume tote Träume sind, wird dabei die Dialektik vergessen: Tote Träume bestehen weiter. Es ist klar, wir können fliegen, und wir können „besser“ fliegen, als es Leonardo träumte, doch zugleich ziehen wir Leonardos Traum unserer Realität vor. Es nützt nichts, daß der Flugplatz „Aeroporta Leonardo da Vinci“ (diese Vulgarität ist für die Realität unserer Flüge charakteristisch) heißt.

Von den toten Träumen geriet ich ohne große Umwege zu den Toten selbst und zum unmöglichen Wunsch sie wiederzusehen. Eine Ahnung davon, wie absolut der Verlust ist, schleicht sich schon ein, bevor wir unseren ersten Toten begegnen. Sie liegt im Unmöglichen, das unsere Träume beflügelt.

Flusser schreibt:

Wenn wir den Flug als zu verwirklichenden Wunsch erleben, entmystifizieren wir ihn, ohne uns von dem Mythos zu befreien. Wir können keine unmöglichen Träume mehr haben. Was uns bleibt, ist der unmögliche Wunsch, Unmögliches zu wünschen. Ist dieser Blick apokalyptisch…?

Vielleicht nicht apokalyptisch, aber enttäuschend. Wie so ziemlich jede Realitätsprüfung. Das Verschwinden des Unmöglichen ist absolut und unumkehrbar ein Abschied von der Kindheit, die sich bis ins hohe Lebensalter halten kann. Aber das Überraschende daran ist doch, dass mit der Zunahme unserer Möglichkeiten – hier der Verwirklichung des Menschheitstraums vom Fliegen – die Enttäuschung am Leben zunimmt. Damit ist offensichtlich nicht nur ein kulturhistorischer Vorgang gemeint, er findet seine Entsprechung in jedem persönlichen Leben, das nicht in seinen Anfängen stecken bleibt. Man hatte anderes erwartet. Mehr! Selbst wenn eigentlich alles da ist, was man sich gewünscht hat. Nur das Unmögliche, das in den Träumen lebte, ist durch die ständige Erweiterung der Möglichkeiten nach und nach verschwunden.

 Wer nicht zu früh stirbt, kommt irgendwann an den Punkt, an dem sich die eigenen Kreise, die bis dahin größer und größer wurden, wieder zusammenziehen. Die Möglichkeiten nehmen nicht mehr zu, sie nehmen plötzlich ab. Besonders schmerzhaft sichtbar wird das, wenn Freunde und Verwandte sterben, mit denen man eng verbunden war. Ein Teil des eigenen Lebens verschwindet mit ihnen und wird ersetzt … ja, durch was? … durch Traurigkeit und Erinnerungen? Das ist schwer auszuhalten. (Zu den Vielen gehen)

Das ist nicht alles: Traurigkeit, Erinnerungen und älter werden und damit abnehmend die noch zu verwirklichenden Möglichkeiten. Das muss nicht nur tragisch sein, vielleicht steckt – in der Umkehrung – in der Abnahme der Möglichkeiten ein neuer, tröstlicher Traum. Ein Traum ohne Hoffnung auf zukünftige Erfüllung, aber mit der Garantie nicht mehr vom Leben enttäuscht zu werden. Es wäre schön, im hohen Alten nicht durch und durch desillusioniert zu sein, sondern in neuen Träumen zu leben.

Letzte Texte 3

„Man stirbt, wie man gelebt hat“. Stimmt das? Ängstlich vielleicht. Oder selbstzufrieden. Glücklich sogar? Oder wie ein Idiot, der nicht zu leben verstanden hat und dann also auch nicht kapiert, dass es aus ist?

Dass die Erfahrung des Todes durch das zuvor gelebte Leben mitbestimmt wird, das scheint jedenfalls unabweisbar zu sein.

Der Tod ist eine Tatsache. Es braucht keinen wissenschaftlichen Beweise dafür. Wir wissen es. Aber über das Wissen hinaus, dass wir sterben werden, weil Menschen eben sterben, gibt es außerdem

tausend Weisen, in denen wir unseren eigenen Tod vorausfühlen können und eine dunkle Vorstellung von ihm gewinnen können.
(Paul Ludwig Landsberg: Die Erfahrung des Todes)

In Krankheit, im Schlaf und Ohnmachten oder in Derealisations – und Depersonalisationserlebnissen und vielem mehr. Nur: Nehmen wir es auch wahr? Für die vielen Gelegenheiten, in den Tod vorzufühlen, kommt es doch selten vor. Wer nicht sterben will oder kann, lässt die Ahnung unbeachtet, es braucht schon ein echtes Wollen den Tod im Leben zu spüren. Es macht vielleicht zu große Angst; denn der Wille scheint gefährlich, er könnte das Tor hin zum wirklichen Sterben öffnen. Er schwächt. Wer bringt sich freiwillig in solche Gefahr? Und es geht ja auch anders: Die überzeugendste Weise unseren Tod vorauszufühlen, besteht nicht in dem, was wir am eigenen Leib erfahren können, sondern im Mitfühlen. Immer dann, wenn wir durch den Tod eines anderen tief betroffen sind.

Ein klares Bewusstsein von der Notwendigkeit des Todes wird aber erst möglich durch die Teilhabe, durch die persönliche Liebe, in der diese Erfahrung von Anfang an beschlossen lag. Wir haben mit dem, der da stirbt, einen Bund geschlossen, wir haben zusammen mit ihm ein „wir“ gestiftet.

In diesem „wir“ nun, und gleichsam mitgerissen durch die Eigenart dieses neuen Wesens persönlich akthafter Ordnung, werden wir zu einer erlebten Kenntnis unseres eigenen Sterbenmüssens hingerissen. Wir folgen dem „wir“, das zerbricht, indem wir dies Zerbrechen erleben, bis an die äusserste Grenze des „Jenseits“; ja, einen Augenblick berühren wir gleichsam die Atmosphäre, die aus dem Lande des Todes kommt, gehen wir ein in die äusserste Entfremdung, die die geliebte Person alsbald aus der bekannten Weise des Zusammenhangs mit uns hinwegnimmt.
(Paul Ludwig Landsberg: Die Erfahrung des Todes)

Was hier beschrieben wird, wenn auch etwas kompliziert, ist die höhere Evidenz des eigenen Erlebens, wenn es echter Empathie entspringt, und damit eben nicht nur die eigene, sondern eine geteilte Erfahrung ist. Dieses über sich Hinausgehen und in Verbindung zu sein, ist nun ein Wesen persönlich akthafter Ordnung, anders gesagt: es ist der Prozess des Erkennens, früher oder später das gleiche Erleben zu müssen wie die geliebte sterbende Person. Es gibt keinen anderen Weg zu dieser Erkenntnis zu kommen, keinen wissenschaftlichen und auch keinen religiösen. Sicher weiß man, dass man sterben wird, aber wahr wird es erst, wenn man es miterlebt hat. Und das auch nicht irgendwie oder mit irgendwem, sondern mit einem geliebten Menschen. So befremdlich es erscheinen mag, die Liebe ist nicht nur notwendig für ein gutes Leben, sie macht es auch möglich, dem eigenen Tod zu begegnen, ohne sterben zu müssen. Unter tragischen Umständen zwar, aber gerade im Zerbrechen wird das „wir“ noch einmal besonders schmerzlich erfahren als jene dritte Daseinsweise, neben dem „Ich“ und „Du“. Nur in dieser dritten Lebensweise ist die Vorahnung von Trennung und Verlust gegeben, bis sie unweigerlich irgendwann für das „wir“ real wird. Ohne Liebe können Ich und Du die Wirklichkeit des Todes nicht begreifen. Das macht sie so einzigartig wertvoll für das Leben.

Derealisationen 11

Ich hatte mir versprochen, dran zu bleiben, nur abzuschweifen, wenn es nötig werden würde, also oft, aber eben ausschließlich, um mein vielleicht zu festgefahrenes Denken zu umgehen. Das gelingt nicht so gut, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber besser, als zu erwarten war, denn ich wusste nicht, wie es geht. Weiß es noch immer nicht. Ich denke nunmal, wie ich denke, das ist schwer umzubiegen. Und dem Denken folgt Handeln oder das Handeln geht voraus, was sicher nicht selten passiert, aber immer haftet meinen Handlungen etwas an, das wohl Ausdruck meines „Selbst“ ist und das ich beobachten und befragen möchte: Warum mach ich etwas so und nicht anders?

Inzwischen hat sich eine Ahnung eingeschlichen, was zur Selbstbefragung hilfreich ist. Es sind – wenig überraschend – gerade die Abschweifungen. Aber verwirrend sind sie auch und obwohl sie mir den Einstieg erleichtert haben, führen sie nun dazu, dass ich nicht mehr weiter weiß. Inzwischen fällt es mir schwer, mich zu erinnern, worum es mir ging. Warum Derealisationen? Hatte ich damit begonnen, weil ich mir ein bisschen Freiheit verschaffen wollte? Weil ich nicht mehr Ich sein wollte?

Am Anfang war der Tod – meiner Freunde und die anschließende Unaushaltbarkeit der einstürzenden Weltgewissheit. Denn die war nichts anderes gewesen, als die selbstverständliche Voraussetzung am Leben zu sein. Das Leben selbst war bis dahin ziemlich selbstverständlich. Es ergab sich aus dem Alltag. Und aus Erinnerungen an die eigene Geschichte, die angefüllt waren mit Menschen, die fast alle noch lebten. Mir ist – sozusagen theoretisch – nie bewusst geworden, wie sehr das Gefühl der Lebendigkeit am Leben der anderen hängt, also an den Menschen (und Tieren), die das eigene Leben begleiten und erfüllen.

Dann aber, mit dem realen Verlust dieser Menschen, verlieren die Erinnerungen plötzlich an Farbe, werden grau und unscharf und so befremdlich wie ein altes Foto, auf das man schaut und sich sagt: Aha, das war ich also als Kind. Die Verbindung ist gekappt und wird immer weniger wirklich mit dem Tod der Menschen, die die frühere Existenz verbürgten. Das sind natürlich die Eltern und Großeltern, die Geschwister. Und die Freunde, die wir schon als Kinder hatten. Nur ist beim Tod der Freunde die Überraschung darüber, wie real das Sterben ist, noch viel gewaltiger. Auch wenn es vielleicht nicht betroffener macht, als das Sterben der Eltern, steht es doch näher zum eigenen Tod. Die einfache Voraussetzung, am Leben zu sein, ist plötzlich nicht mehr selbstverständlich. 

Wenn ich jetzt versuche, klar zu sehen, was die tiefe Erschütterung über den Tod der Freunde verursachte, dann ist es nicht nur der Verlust ihres Lebens, der so traurig machte. Vielleicht ist dieser mitleidige, empathische Anteil der Trauer, bei dem es wirklich darum geht, die Toten zu bedauern, weil sie ihr Leben verloren haben, sogar ganz unbedeutend im Gegensatz zu dem Trauergefühl, das wir uns selber schenken, ob des großen Verlustes, den wir erleiden mussten. Aber worin bestand der Verlust? Wohl darin, dass es die gemeinsame Welt, – selbst wenn sie fast nur noch aus Erinnerungen bestand – nun plötzlich nicht mehr geben soll. Mit dem Tod verschwinden nicht nur reale Menschen aus unserem Leben, sondern auch die Möglichkeiten fast schon fiktionale Vergangenheiten durch geteilte Erinnerungen wiederaufleben zu lassen. Mit dem Verlust dieser Möglichkeiten wird ein Teil der eigenen Geschichte unwiderbringlich irreal. Zwar lässt sich alles noch erzählen wie zuvor, aber durch den Mangel an Bestätigung gehört es jetzt zum Reich der Fiktionen, in dem der Realitätsbezug nur noch schwach empfunden wird. Und er wird schwächer, je älter man wird. Mit jeder für uns bedeutenden Person, die wir verlieren, nimmt also auch unsere eigene Bindung an die Welt ab. Unser eigenes Leben beginnt sich zu verflüchtigen, der Tod rückt näher.

Die Toten sind tot, sie benötigen unsere Empathie nicht mehr, das wissen wir. Aber wir, die wir trauern, können jeden Trost, den wir uns geben können, gebrauchen, um weiterzuleben.
Manche Trauer fühlt sich wie eine tödliche Krankheit an. Dass es danach weitergehen soll wie eh und je, erscheint unvorstellbar. Und obwohl die Trauer ihr Objekt natürlich in dem geliebten Toten hat, handelt es sich dabei um ein gespaltenes Objekt, man könnte sagen, es gibt ein inneres und ein äußeres Objekt, von dem uns nur das letztere auf Dauer erhalten bleibt. Dieses innere Objekt der Trauer hat mit der verstorbenen Person (also dem äußeren Objekt) nur insofern zu tun, als dass es die psychische Repräsentation dessen ist, was diese Person für uns bedeutete und was wir nach ihrem Tod schmerzhaft vermissen. 

Ein Mensch stirbt, er löst sich in seine Bestandteile auf und verschwindet, bis er real nicht mehr existent ist. Zurück bleibt ein Negativ seiner Existenz, das sich als Schatten seiner Abwesenheit bei den Menschen bemerkbar macht, die ihn vermissen. „Er fehlt“, heißt es dann und so ist es auch. An diesem Fehlen manifestiert sich die Bedeutung eines Lebens ebenso, wie in allem, was der Verstorbene an positiven Leistungen der Welt hinterlassen hat.

Ich bin mir nicht sicher, ob es eine eher persönliche Erfahrung ist oder ein allgemeiner Aspekt jeder Trauer, jedenfalls mein Verlust bestand auch darin, die Illusion verloren zu haben, dass wir noch Zeit hätten, wieder ein gemeinsames Leben führen zu können, das wir dann gestalten und aktiv führen würden, was auch meinte, die verlorene Zeit, die wir nicht gemeinsam verbracht hatten, wieder aufzuholen. Erst als ältere Männer vielleicht, die im Garten sitzend ihre Erinnerungen austauschen. Dieses Bild war für mich immer tröstlich. Aber wie es mit Illusionen so ist, sie werden von der Realität überholt, und wenn sie so sentimental sind wie meine, erscheinen sie nachträglich ziemlich lächerlich.

Mit ein bisschen Abstand (vom Anfang der Derealisationen) komme ich auch auf den Gedanken, es könnte sich um eine Angeberei, um eine aufgeblasene Rationalisierung meiner Traurigkeit handeln. Derealisationen? Ist das nicht genau das Gegenteil von „Trauerarbeit“? Die, wenn ich es richtig verstehe, doch eher eine Selbstforschung zum Zweck der emotionalen Stabilisierung des Trauernden sein soll. Während meine Idee darin bestand, von mir abzulassen, meine Identität und was ich dafür halten konnte, unsicher werden zu lassen und mir die Möglichkeit zu geben, jeder und alles zu sein, nur nicht ich. Das ist ziemlich verstiegen und wohl auch anmaßend. Aber für mich viel näherliegend, als ein ICH zu festigen, dass ich gerade nicht sein wollte. 

Ich erinnere mich an viele Reisen, an viele Landschaften, Städte und Dörfer und an immer die gleiche Frage: Wie ist es wohl hier zu leben? Was wäre, wenn ich hier aufgewachsen wäre usw? Es gibt keine wirkliche Antwort darauf, nur Fantasien und Einbildungen, die aber so groß werden können, dass sie zu einem anderen Leben führen. Nicht an diese Veränderbarkeit des Selbst glauben zu können, Angst davor zu haben und letztlich alles zu tun, um Veränderung zu verhindern, ist ein Symptom einer Krankheit, die zum frühzeitigen Tode führt – einem Tod, mit dem man noch viele Jahre leben kann.

Mir die Welt fremd werden zu lassen, sollte heißen, um den Tod zu kreisen. Jeden Gedanken, jedes Thema vor die Absurdität zu stellen, dass sich alles verändert und alles verschwindet. Das ist natürlich keine originelle Idee, Philosophie, Literatur, Kunst, irgendwie fast alles, was gedanklich über reine Funktionalität hinausgeht, führt letztlich zu diesem Punkt. Es ist aber, und darauf kommt es an, eine ganz persönliche Frage, wie nah man den Tod schon im Leben an sich heranlässt. Da sind Philosophie und Lesen oft eher Mittel, um sich eigene Gedanken vom Leib zu halten. Das macht es so schwierig, zu begreifen; obwohl Texte und Bilder uns den Tod zeigen, wie er sein könnte, sind sie zugleich eine ästhetische Form der Distanzierung. 

Wer schon mal Totenmasken gesehen hat, kennt vielleicht die Indifferenz des Gefühls, das ihr merkwürdiges Aussehen hinterlassen kann: Sie wirken menschlich und absolut individuell, aber eigentlich wie aus einer anderen Welt. Sie sind eher unheimlich, als berührend. An ihnen zeigt sich der Tod in seiner Fremdheit, nicht als das, was uns geschehen wird, sondern was Anderen zugestoßen ist. 
Vielleicht ist das gut so und man sollte es dabei belassen. Wie ich es allerdings erfahren habe, kann der Tod der Anderen das eigene Leben so weit in den Schatten stellen, dass es entweder in Stumpfheit oder in dauernder Traurigkeit versinkt. Das einfach geschehen zu lassen, wäre idiotisch, da erscheint der Versuch ein anderer zu werden gleich viel vernünftiger. Also weiter.

Derealisationen 10

Um die Tiere habe ich getrauert, als wären sie mir wichtig gewesen. Waren sie ja auch, nur wußte ich es vorher nicht, sie lebten ja noch. Und ich war ein Kind. Es ging von Tag zu Tag, immer ein bisschen älter, auch davon bekam ich lange nichts mit. Sie sind natürlich alle gestorben. Bis auf einen, der flog durch‘s offene Fenster und war weg. Aber auch der ist selbstverständlich schon lange tot, ich weiß nur nicht, wie er gestorben ist. Das war bei den anderen Tieren nicht so, da trat der Tod ein oder wurde herbeigeführt, und irgendwie waren wir immer daran beteiligt.

Die Meerschweinchen gingen alle ziemlich schnell ein, das sind keine zähen Biester, die letzten beiden frass der Nachbarshund. Die Katzen wurden eingeschläfert. Die Fische trieben mit dem Bauch nach oben, ich wechselte das Wasser zu oft, das vertrugen sie nicht. Einer hielt sich noch eine Weile. Ein „Black Guppy“, die sehen von Natur aus, als wären sie in Trauer. Ihre Schwanzflosse ist ein schwarzer Schleier. Manchmal fressen sie ihre Artgenossen auf. Keine anderen Fische, Schwarze Guppies fressen ausschließlich ihre Verwandten. 

Der Schäferhund des Nachbarn wurde vergiftet (nicht von uns). Unsere erste Katze vom Bauer erschossen, weil sie auf seinen Feldern herumlief. Sie hatte ein schönes getigertes Fell, wahrscheinlich hat er ihren Kadaver liegen lassen. Wir haben sie nicht gefunden. Obwohl wir gesucht haben, tagelang, meine Mutter, mein Bruder und ich.

Ein paar Wasserschildkröten wurden im Gartenteich ausgesetzt, da vermehrten sie sich sogar noch. Ich denke, im Winter war es dann vorbei. Eine geriet versehentlich in die Kanalisation. Wer weiß.

Eine kleine Ente, ein biologisches Schulexperiment, wurde im Schlaf zerdrückt. Und somit der Beweis erbracht, dass Babyenten nicht auf junge, pubertierende Männer geprägt werden sollten. Das Tier hieß „Arnold“, aber auch das hat nicht geholfen.

Rih starb in den Armen von Old Shatterhand, alter Freund, bester Gefährte, die Geschichte zieht bis heute. Ein Pferd, ja, aber absolut keine Mädchengeschichte – denen sterben doch nicht die schönsten, treuesten Pferde weg. Oder doch?

Jack London, Wolfsblut… schrecklich. 

Und mein Affe, 10 cm groß, mein ständiger Hosentaschenbegleiter, bis er irgendwo im Museum für Kunst und Gewerbe unbemerkt herausfiel. Der Verlust wurde im Museumsshop durch einen schönen, kleinen Holzmatrosen ersetzt, sonst hätte ich das Gebäude wohl nie verlassen. Ein Matrose? Ein Mensch! Wie sollte ich den lieben? Ich nahm es ihm zwar nicht persönlich übel, aber er war wie ein rot-weiß geringeltes Ausrufezeichen hinter dem von mir (versehentlich) begangenem Verbrechen – ich hatte meinen kleinen Affen in diesem riesigen Museum ausgesetzt. Da würde er nie wieder herausfinden, bis er entdeckt würde, aber natürlich nicht von mir. Das verfolgte mich einige Zeit, und auch die Frage, ob ich alles getan hatte, ihn zu retten. Ich war ja sofort in Tränen aufgelöst gewesen und innerlich völlig zusammengebrochen, gar nicht in der Lage, richtig zu suchen, obwohl ich wie rasend zurück in die Ausstellungsräume schoss. Ich kam nicht weit. Ein Wärter stoppte mich wie ein fliehendes Tier mit ausgebreiteten Armen und trieb mich dem Ausgang zu. Doch bei allem, und das ist bis heute hängengeblieben, hatte ich das Gefühl der totalen Hoffnungslosigkeit; ich wusste es gibt kein Zurück – vom ersten Moment an, als ich an die Hosentasche griff, wo ich den Affen mit dem Kopf hatte rausschauen lassen, und nichts spürte, weil da nichts mehr war.

Das ist Geschichte, keine große natürlich. Aber unvergessen. Und ich bin nicht allein, es ist Familiengeschichte, jeder von uns erinnert – auf eigene Art – ein bisschen davon und hat anderes vergessen. Gesprochen wird darüber kaum. Vielleicht ist es zu lange her. Und sie sind ja alle tot.

Derealisationen 9

Nochmal zur nachholenden Trauer (DR8). An das Gefühl, um etwas lange Vergangenes zu trauern, knüpfte sich der Gedanke, dass die Trauer überleben konnte, weil etwas an ihr war, das damals noch nicht empfunden wurde. Dass die Erinnerung, an die sie gebunden ist, plötzlich seltsam anders erscheint. „So hab ich das noch nie gesehen“, könnte man sagen und fragen, warum nicht und was sich verändert hat? 

Vielleicht ist dieses Gefühl identisch oder vergleichbar mit dem, was Freud als das „Unheimliche“ bezeichnete. Das sei, so sagte er, die Wiederkehr des Verdrängten, das wie ein Gespenst aus dem Unbewussten auftaucht und das beim Übertritt ins Bewusste, wie immer das geschehen mag, nun fremd, zugleich aber irgendwie auch bekannt zu sein scheint. Die im Wort versteckten Bedeutungen, heimlich und heimisch, sprechen laut Freud für diesen Zusammenhang: Und das „Un-„ steht nun für die Entbergung des im Eigenen (heimischen) versteckten (heimlichen).
Vielleicht spielt das Unheimliche eine Rolle bei der nachholenden Trauer, jedenfalls ist das Auftauchen von etwas bekannt Unbekanntem an ihr beteiligt, nämlich das neuerliche Gefühl einer Traurigkeit, die man lange überwunden glaubte.

Allerdings scheint es bei Freud doch um etwas anderes zu gehen. Die Trauer, die ich meine, ist erstens nicht unheimlich, sondern einfach sehr traurig, und zweitens knüpft sie sich an Erinnerungen, die nicht oder nur halb verdrängt waren. Im Gegenteil, es sind die gut bekannten Erinnerungen, die plötzlich – nur durch einen kleinen Anstoß – in einem anderen Licht erscheinen können. Das ist ja das Traurige: Das plötzliche Gefühl etwas Wichtiges, als es geschah, gar nicht wahrgenommen zu haben oder darüber weggegangen zu sein oder es mit Gewalt oder aus Angst oder aus Dummheit falsch gedeutet zu haben. Vielleicht kann ich es so sagen: Sich nicht getraut zu haben, etwas zu empfinden, als es sich ereignete.

Später, vielleicht aus einer Einsamkeit, oder mit zunehmenden Alter durch das natürliche Zurückfallen der Gedanken in die verflossene Lebenszeit, stoßen wir in Erinnerungen auf Gefühle, die nicht gelebt worden sind, die aber da waren, und – das ist seltsam – immer noch da sind, eingeschlossen wie in eine Glaskugel, die vor unseren Augen zerbricht. Sie entlässt eine Trauer, um die verpasste Lebendigkeit, die sich damals in Gefühlen hätte äußern wollen, aber nicht konnte.

Derealisationen 8

Ich weiß nicht mehr wo es stand, aber Nietzsche hat mal geschrieben, dass wir unserer Kindheit, wenn wir erwachsen sind, nur als Trauernde begegnen können. Damals, als ich es las, dachte ich, es kommt darauf an, wie es so gewesen war in der Kindheit. Man könnte ja auch froh sein, dass es vorbei ist.
Heute vermute ich, er lag ganz richtig. Ich hatte den Gedanken nur halb begriffen, nämlich in dem Sinne, dass die Trauer sich darauf bezog, nicht mehr Kind zu sein und also nie wieder diesen glücklichen Zustand erleben zu können. Das ist die eine Sache, die andere ist noch viel trauriger und war mir deshalb damals vielleicht nicht in den Kopf gekommen: Eine furchtbare Kindheit gehabt zu haben, kann den Erwachsenen im Rückblick erst recht traurig machen.

 Wahrscheinlich gibt es das Gefühl ziemlich oft, betrogen worden zu sein um die kindliche Unbeschwertheit. Hatte man als Kind mehr Glück, weiß man als Erwachsener, dass diese Unbeschwertheit später auf dem natürlichen Weg der Ernüchterung verschwindet.
Und es gibt eine weitere Ursache für diese Trauer, denn selbst eine schreckliche Kindheit war nicht nur schrecklich. Das liegt am Kind, das aus allem das Beste macht. Selbst aus den größten Katastrophen holt es noch das heraus, was erträglich und lebenswert ist. Hätten Kinder diese natürliche Fähigkeit nicht, würden die meisten ihre Eltern nicht lieben. 

Dann ist es also so: Erwachsene trauern auf jeden Fall ihrer Kindheit nach. So oder so. Mehr oder weniger – das ist auch Typ abhängig.

Als ich neulich an eine bestimmte Phase meiner Kindheit dachte, ich war drei Jahre alt und wir lebten auf dem Land, fiel mir eine traurige Begebenheit ein. Ich spürte plötzlich wieder die Traurigkeit von damals, die ich nur in den Griff bekam, indem ich die Erinnerungen fallen ließ und mich dazu brachte, an etwas anderes zu denken.
Später kam ich aber darauf zurück, weil es mich etwas erschrocken hatte, und ich genauer wissen wollte, was mich eigentlich so verunsichert hatte. Erinnert hatte ich mich an unsere Katze Mieke, die vom Nachbarn, einem Bauer, getötet worden war. Es gab keinen guten Grund dafür, natürlich nicht, aber er hatte uns gewarnt, es zu tun, falls die Katze wieder auf seinem Grundstück herumliefe. Und er hat es dann getan, wie sollten wir es verhindern, Katzen gehen ihre eigenen Wege. Als Jäger und Hundeliebhaber hielt er die Katze wahrscheinlich für schlecht erzogen, er hatte uns ja gewarnt.

Als ich also daran dachte, war ich erstaunt, wie frisch die Trauer war. Und im nächsten Moment hätte ich heulen können, aber wie gesagt, ich würgte die traurigen Erinnerungen ab. Und saß dann da mit dem seltsamen Gefühl, eine Trauer zu empfinden, die ich damals nicht empfunden hatte. Obwohl ich natürlich wahnsinnig traurig gewesen war und viel geheult hatte. Ich meine mich zu erinnern, dass mich damals vor allem der Verlust erschütterte, dass vorweggenommene Gefühl, wie sehr sie mir fehlen würde. Das ging natürlich bald vorüber. Und wir haben sie auch nicht tot gesehen, ihren Kadaver nicht gefunden, sie war einfach weg. Also stellte ich mir vor, sie sei irgendwo im Wald, und das war dann wirklicher für mich, als ihr tatsächlicher Tod. So geht das, so ist es auszuhalten, wenn man Kind ist.

Heute geht das nicht mehr, der Tod ist die Realität, die geblieben ist. Und die Unbegreiflichkeit der Tat. Wieso hat er das getan? Bestimmt hab ich das damals meine Mutter gefragt und selbstverständlich keine Antwort bekommen, die irgendwas erklärt hätte. Die Bosheit ist ein schwer zu erklärendes psychologisches Phänomen, richtig schlüssig erscheint sie nie.

Die Heftigkeit dieser alten, aber frischen Trauer überrumpelte mich, also versuchte ich mir zu erklären, wie sie hatte so lange überleben können. Und kam auf den Gedanken einer sozusagen nachholenden Trauer, die das frühere Empfinden vollständiger macht, also die Trauer um jene Aspekte erweitert, die damals noch nicht zugänglich waren. Denn was ich deutlich spürte, war eine Traurigkeit, die den Täter dieses Mal mit einbezog. Nicht das er mir leid tat, es ging um das „erwachsene“ Wissen, dass solche Taten menschlich sind. Während es für mich damals ein monströser und unbegreiflicher Einzelfall war, der mir zudem gar nicht ganz klar wurde, weil meine kindliche Vorstellungskraft nicht ausreichte, mir auszumalen, wie jemand ein Gewehr anlegt – im Spiel machte ich das oft -, ein Lebewesen ins Visier nimmt und wirklich abdrückt. Tötet.

Derealisationen (7)

Ziemlich missverständlich: „die Bereitschaft, Fremdheit bestehen zu lassen, um sich näher zu kommen.“ (DR6) Das heiß nicht, die Anderen nicht auch mal ändern zu wollen. Sie im eigenen Sinne und Interesse zu beeinflussen (Was wäre sonst Politik?). Das seltsame therapeutische Dogma, immer nur sich selbst ändern zu können, ist Selbstaufgabe und Weltverneinung zugleich. Paartherapeutische Homöopathie! Oder sogar: Desinteresse am Anderen, getarnt als Toleranz. Außerdem bedeutet diese scheinbare Toleranz nicht, Fremdheit wirklich zu akzeptieren, sondern eher sie nicht mehr wichtig oder wahrzunehmen. Sie ist das Gegenteil von Empathie.

Fremdheit zu akzeptieren, hat mit einem Willen zur Veränderung erstmal gar nichts zu tun. Ob es nun das Selbst oder den Anderen betrifft. Akzeptanz des Fremden liegt sozusagen noch vor dem eigenen Wollen; sie besteht in der passiven Bereitschaft überhaupt anzunehmen, dass es vom Selbst Unabhängiges gibt.

Wer sich lieber als Teil von allem sehen will – biologisch, spirituell, kosmisch und so -, muss ja – paradoxerweise – erst annehmen, dass es von ihm Unterschiedenes gibt. Das psychologische Konstrukt des Selbst sollte daher als Medium verstanden werden, durch das Person und Welt miteinander vermittelt werden. Das Selbst ist die Öffnung zur Welt, die wir als Wesen mit Bewusstsein brauchen und – auch paradox –  zugleich das, was uns als eigenständiges Wesen vom Rest der Welt unterscheidet. 

Das heißt, dass wir uns nicht als Selbst begreifen könnten, gäbe es nicht die anderen, die auch ein Selbst sind. Und: Je empathischer diese Fremdwahrnehmung ist, desto besser lernen wir uns selbst kennen.

Derealisationen (6)

Warum sind Menschen als soziale Wesen geschaffen, wenn sie sich nur asozial verhalten können. Na ja, nicht nur, aber doch hauptsächlich, meistens, fast immer eigentlich. Empathie war eine schöne Erfindung psychologischer Theorie oder Prosa oder Fiktion. Oder gibt es das wirklich, dieses Mitgehen, zeitweise Aufgehen im Anderen, das Verlassen der eigenen Spur, um fühlend verstehen zu wollen, was im anderen Menschen vorgeht? Oder ist das eine Illusion. Humanistischer Kitsch?

Jedenfalls gibt es Empathie sicher nicht ohne Anstrengung. Man muss sich darum bemühen, es zu wollen. Die Voraussetzung für dieses Wollen ist eine allgemeine Weltzugewandtheit. Eine Offenheit, die die Menschen mit einschließen muss, da sie als Subjekte zwar irgendwie anders sind als man selbst und natürlich anders als die Objekte, aber sie sind eben Teile der Welt, die nicht zum eigenen Selbst gehören. Allein das zu realisieren, kann schon eine Kränkung sein: Alle anderen interessieren sich auch nur für sich selbst! Gut, man kommt drüber weg, wenn man will. Damit beginnt ja erst das eigene Mitmenschentum. 

Es ist irritierend, sich selbst – mal nicht den Anderen – als Mitmensch zu begegnen. Das bedeutet immerhin, von sich abzusehen und dass ohne wirklich hinauszukommen aus dem Zentrum der Welt, das man selbst ist. Vielleicht ist es auch eine Frage der Gewohnheit. Aber es muss sein, wenn man sich von der (Un)Menschlichkeit befreien will, die darin besteht, andere immer nur durch den Schleier der eigenen Bedürfnisse zu sehen.

Worin müsste die Bemühung um den Anderen bestehen? Eigentlich ist es einfach, aber dann doch zu viel verlangt: Gib alle Ansprüche auf. Auch wenn wir nur normalbedürftig sein sollten, also keine pathologischen Narzissten sind, ist es schwer, die Welt so zu betrachten, als wäre sie nicht als Objekt unserer Begierde geschaffen. Dass sie subjekthaft, eigenständig existiert, also ganz unabhängig von uns denkbar ist, darin besteht eine noch größere Kränkung als in der Erkenntnis des eigenen Mitmenschentums. „Denkbar“ deshalb, weil sie „erlebbar“ nicht ohne uns stattfinden kann. Das kann sie nur theoretisch. Nämlich nach dem Tod, der ja praktisch für den Sterbenden selbst nie eintritt.
Das Nachdenken über … ist deshalb so wichtig, weil es keine Distanz geben kann ohne den Schritt der denkenden Abstraktion. Keine Distanz zwischen uns und der Welt, was bedeuten würde – wie Mystiker gern behaupten -, dass wir mit allem eins wären. Das kann ja sein und macht Sinn, da wir als Körper Teil des allgemeinen Stoffkreislaufs sind, aber so erleben wir uns nicht. Das Gefühl der kosmischen Verbundenheit stellt doch eine psychologische Ausnahme dar gegenüber dem Normalerleben der Befremdung, die uns immer wieder fragen lässt, wo wir hier eigentlich hinein geraten sind. Ins Leben eben, ist die nichtssagende Antwort.

Sich bei diesen Fragen allein auf‘s Gefühl zu verlassen, ist Quatsch. Man sollte nicht der gängigen Verunglimpfung des Denkens als irgendwie lebensschädlich trauen. In bestimmten psychologischen Schulen und von Esoterikern  wird „das Fühlen“ gegen „das Denken“ in Stellung gebracht und zur einzig authentischen Regung des echten, also nicht theoretischen, Lebens überhöht. Bloß nicht zu viel Nachdenken, sich ganz auf das Gefühl verlassen und so weiter. Denken soll ein unnötiger Umweg sein. Aber wohin eigentlich? Wohin sind die Gefühle unterwegs? Und wo kommen sie her? Aus unserem „authentischen Selbst“, dem „inneren Kern unserer Persönlichkeit“ und so ähnlich. Einmal darüber nachgedacht, müsste eigentlich klar sein, dass es das alles gar nicht gibt. Jedenfalls nicht ohne denkende Abstraktion.

Wer sich nur auf sein Gefühl verlässt, schließt sich in sich selbst ein, und andere aus. Das reine Gefühl kann nicht von sich absehen. Es ist ganz bei sich, nie beim anderen. Es braucht den Bruch des Denkens, um sich selbst als getrennt von allem anderen zu erfahren. Und es in dieser Distanz eigenständig existieren zu lassen. 

Einfühlung in Andere ist möglich. Weder dürfen die Gefühle des Anderen ganz in den eigenen aufgehen, noch darf das Verlangen, den Anderen verstehen zu wollen, umschlagen in Gedanken, die seine Erfahrungen mit den eigenen abgleichen.  Empathie braucht die Bereitschaft, Fremdheit bestehen zu lassen, um sich näher zu kommen.

Und all das gilt auch für die autoempathische Selbstbeschäftigung. 

Metaneurose social media

Gut, dass es Greta Thunberg gibt. Wir brauchen solche Menschen. Menschen, die sich offen für ihre Überzeugungen einsetzen, ohne andere damit abzuwerten. Und die sich öffentlich angreifbar machen, auch auf das Risiko hin, dabei selbst kaputtzugehen. Oder – das ist wahrscheinlicher – von anderen zerstört zu werden. Greta sollte vielleicht nicht in die USA reisen, jedenfalls nicht ohne Personenschutz, obwohl es natürlich überall passieren kann. Hass kennt keine Grenzen. Er ist schon immer da, egal, wo man hinkommt. Inzwischen noch schneller, dank des großartigen Internets.

Was einmal die Öffentlichkeit war, nämlich sich gegenseitig beobachtende Medien, die vor den Augen eines interessierten Publikums verhandelten, welche Ansichten gesellschaftlich akzeptabel sind, diese Art der Öffentlichkeit gibt es nicht mehr. Das Band zwischen den „alten“ Medien und „der Gesellschaft“ ist gerrissen – oder, wie auch gern gesagt wird, „atomisiert“ worden: Die Explosion der digitalen Medien hat die Öffentlichkeit in unzählige winzige Partikel zerlegt. Und die Zellteilungen und Mutationen gehen weiter, ohne dass jemand sagen könnte, ob dieses Wachstum gut- oder doch eher bösartig ist. 

Es es ist ein alter Hut, dass Unübersichtlichkeit Menschen Angst macht. Die neue Medienvielfalt ist Furcht einflössend. Unkontrollierbar, das Ganze. Nichts für zwanghafte Charaktere (also schlecht für 98,5 % der deutschen Bevölkerung). Andererseits fällt es jetzt viel leichter, mal selbst den Mund aufzumachen, um der eigenen  Bedeutungslosigkeit zu entkommen. Das fühlt sich natürlich erstmal besser an, als immer das Maul halten zu müssen. Und seit die Leute entdeckt haben, wie gut es tut, andere Menschen zu verletzen, ohne mit echten Konsequenzen rechnen zu müssen, ist der Damm gebrochen. Hurra!

Da mitzumachen, bedeutet sich an den Rand des Wahnsinns zu begeben. Die Zahl der Verwirrten und Verbitterten, die sich unbedingt zu Wort melden müssen, scheint trotzdem unendlich groß zu sein.
Wer in der Lage ist, in den „Abgrund an Menschenverachtung“ zu schauen, den die sozialen Medien aufgerissen haben, und dabei gelassen zu bleiben, ist entweder ein weiser oder ein zynischer Mensch. Es ist kaum auszuhalten. Ganz egal, was man oben hinein wirft, unten kommt immer das Gleiche raus: Der offenbar nicht zu bändigende Drang recht behalten zu wollen. Es ist an Einfältigkeit nicht mehr zu überbieten, wie Foristen und Kommentatoren von „Der Wahrheit“ sprechen. Die ist natürlich nichts anderes als die eigene Meinung, die sich endlich mal jemand getraut hat auszusprechen. Das kann eigentlich nicht wahr sein. Fällt denen das nicht auf? Früher ahnte man nur, wie viel Dummheit in der Welt ist, heute kann man sich jederzeit davon überzeugen.

Die vielen „Wahrheiten“ da im Internet erheben selbstverständlich alle einen allgemeingültigen Anspruch, darunter geht es nicht. Wer einmal ins Licht gesehen hat, lässt sich nicht mehr täuschen; die Quatschköpfe sind quasi alle erleuchtet. Oder verstrahlt, kommt darauf an, wie sehr man von der Heiligkeit der eigenen Meinung überzeugt ist. Wer es anders sieht, ist uneinsichtig. Mindestens! Ein Idiot. Der Feind. In schlimmen Fällen wird ihm dann der Tod gewünscht, in den schlimmsten bleibt es nicht beim Wunsch.

Die „geheime Feindseligkeit“, die der Psychoanalytiker Wilhelm Reich bei all seinen Patienten entdeckte, sie lag hinter einer Schicht vordergründiger Freundlichkeit verborgen, identifizierte er als Ausdruck der Ich-Abwehr, also als eine Funktion jener Instanz, die zwischen der äußeren und der inneren psychischen Realität zu vermitteln hat. Diese mittlere Instanz nennt man bis heute „das Ich“. Ihm fällt die Aufgabe zu, Triebspannungen möglichst gering zu halten, für inneren Ausgleich zu sorgen. Dafür stehen dem Ich ein Reihe Abwehrmechanismen zur Verfügung, deren destruktive Anteile desto höher sind, je geringer die psychische Reife der betreffenden Person ist. Besonders aggressives, projektives und verleugnendes Abwehrverhalten wird auf einen niedrigen psychischen Reifungsgrad zurückgeführt.

Es fällt nicht schwer, diese Formen der Abwehr in den Kampfstilen der sich seuchenartig ausbreitenden Kleinkriege in den sozialen Medien wiederzuerkennen. Sie sind dort von geheimer in offene Feindseligkeit umgeschlagen. Es liegt also nahe, diese unsäglichen und unendlichen Kommunikationen zu pathologisieren. Welcher geistig wirklich gesunde Mensch könnte je die Energie aufbringen, seinen Mitmenschen unbedingt den eigenen Willen aufzwingen zu wollen? Nur was bringt es, eine Krankheit aus der „offenen“ Feindseligkeit zu machen, die in den meisten sozialen Medien inzwischen herrscht? Sie erscheint krankhaft, aber was steckt dahinter? Die sozialen Medien modellhaft als eine Art externalisiertes psychisches System zu betrachten, könnte zumindest dazu dienen, das Problem der Feindseligkeit als psychische Abwehrreaktion zu identifizieren. Und es somit als potentiell heilbar zu begreifen, jedenfalls wenn man an die „talking cure“ der Psychoanalyse glaubt.

Es wurde schon oft festgestellt, dass die Anonymität im Internet rabiates Verhalten im Umgang miteinander fördert. Allerdings haben das auch schon frühere Medien möglich gemacht, man denke an belästigende Telefonanrufe. Was dem Telefon dabei fehlte, war das den sozialen Medien eigene Angebot, sich ganz einfach in immer schon laufende Kommunikationen einklinken zu können. Eine gerade für Neurotiker, die auf schnelle Triebabfuhr aus sind, nahezu unwiderstehliche Aufforderung. Und natürlich ist die Attraktion, sich einer Instant-Öffentlichkeit zu präsentieren, wie sie in den sozialen Medien geboten wird, ein weiterer Anreiz ständig mitzureden – anonym oder nicht. Es scheint sich viel normaler anzufühlen, vor einer unbekannten Menge die eigenen Störungen auszubreiten, als zum Hörer zu greifen und bei nur einer armen Person die angestauten Triebenergien abzuladen. Telefonterror war eher eine Abweichung von der Norm, das kann man von den Totalausfällen im Internet nicht mehr sagen.

Es ist nicht die Anonymität, die letztlich verantwortlich ist für den Absturz der sozialen Medien in die Barbarei. Zivilisierten Menschen gelingt es in der Regel auch unter Fremden, dort, wo man sich nicht kennt, ein sozial verträgliches Verhalten an den Tag zu legen. Außerdem ist zunehmend zu sehen, dass sich immer mehr Personen, die marodierend durch’s Netz ziehen, nicht mehr verstecken; Popularität ist wichtiger als Anonymität. Für einige, die irgendwann einmal relativ vernünftig begonnen haben, die dann aber vom freigesetzten Hass infiziert wurden, ist es einfach zu spät, um sich hinter Pseudo-Identitäten zu verbergen. Jetzt geht es eben immer weiter. Viele begreifen, in der Dauerschleife aus empörter Erregung und ekelhaften Absonderungen, in der sie Opfer und Täter zugleich sind, gar nicht, wo sie hinein geraten sind.

Freud formulierte es so: „Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus“. Es steht unter ständigem Druck und wird von zwei Seiten in die Enge getrieben. Das Unbewusste drängt von unten, die unerfüllten Triebe wollen endlich ausgelebt werden. Von oben hält das Über-Ich mit triebversagenden Regeln und Gesetzen dagegen, um die gesellschaftliche Konformität des Individuums zu sichern. Dazwischen fällt es schwer, Position zu halten, leichter ist es, mit allen unausgestandenen Konflikten in den externalisierten psychischen Raum des Netzes weiterzuziehen. Da ist der äußere Feind auf den ersten Blick zu erkennen. Feuer frei!

Da alles irgendwie mit allem zusammenhängt, tritt die Ahnung der endgültigen Vernichtung durch die Klimakatastrophe, durch den wachsenden Ressourcenverbrauch und die damit verbundenen Verteilungskriege, zugleich mit der dystopischen Verwandlung der sozialen Medien auf. Deren Idee, Menschen zu verbinden, ist ins Gegenteil gekippt. Von der seltsamen Utopie einer fröhlich plaudernden technologischen Weltgesellschaft ist in der Realität ein kommunikatives Kriegsgebiet übrig geblieben. War doch nicht so easy aus Fremden virtuelle Freunde zu machen. Die Kalifornische Ideologie ist katastrophal gescheitert. Trotzdem gehen die ehemaligen Techno-Hippies – und heutigen Business-Götter – immer weiter mit der digitalen Fiktionalisierung der Gesellschaft. Mehr vom Gleichen: Wenn irgendwann jeder zu allem seine Meinung gesagt hat, ist kein Gespräch mehr möglich. Alle glauben nur noch sich selbst, jeder ist sein eigener Gott. Und es gibt 12 Milliarden verschiedene Sneaker-Marken. California Über Alles!

Diese Entwicklung ist nicht mehr umkehrbar. Ist das so? Wahrscheinlich.
Kein Einspruch also gegen die Hoffnungslosigkeit, nur eine letzte Idee, um es mit Greta Thunberg zu sagen: „There is no hope!“ Es macht keinen Sinn, auf die Einsicht derer zu warten, die in unsinnige Kämpfe und falsche Ideologien verstrickt sind. Es braucht auch keine Hoffnung und es ist nicht notwendig, die hoffnungslosen Fälle – die Profiteure des Status quo – zur Einkehr zu bewegen, es braucht nur den Wunsch, nicht genauso destruktiv sein zu wollen wie sie: Die vielen kleinen Akte der Zerstörung, gegen sich selbst und andere, nicht mehr mitzumachen. Manchmal ist dafür nicht mehr nötig, als einen Moment innezuhalten und darüber nachzudenken, wie man sich verhalten möchte. Und ob es überhaupt dringend geboten ist, sich überall einzumischen. Manchmal muss es sein, meistens nicht.

„Zen fascists will control you„ (Dead Kennedys)
I would prefer not to.

Derealisationen (5)

Neulich las ich in „Die Vögel“ von Andrej Bitow folgendes
Wir leben auf dem Grund eines Luftozeans… Am wogenden Himmel schwimmt ein Vogel, er rührt kaum die Flossen.
Und
In einer seltsamen Weise sind die Vögel in unserem Leben abwesend, wiewohl man sie zweifelsfrei mit unbewaffnetem Auge beobachten kann. Als ob sie am Rand unseres Bewusstseins flögen…

Das ist wahr. Dafür muss man nur die Welt auf den Kopf stellen. Im Grunde dreht er nur an ein paar Wörtern, um unsere gewohnte Sichtweise zu kippen … ein Fisch fliegt vorbei, er rührt kaum die Flügel.
Wo führt das hin, nach innen: „Als ob sie am Rand unseres Bewusstseins flögen“. Darum geht es also? Was sich am Rand unseres Denkens bewegt? Flüchtige Gedanken. Die Vögel unter den Bewusstseinsinhalten. 

Ich muss an die Spatzen denken, die um die Café-Tische hüpfen oder hüpften, weil es nur noch selten vorkommt, und was für einen lustigen Anblick sie boten, als wären sie nur gelandet, um Unfug zu machen. Und wie überraschend es immer war, plötzlich von einer Schar Vögel umringt zu sein. Als ob ihr da sein, gerade erst bewusst würde. Eine nette Überraschung, und ihr Ausbleiben fällt zwar kaum auf, macht das Dasein aber unauffällig trauriger.
Es fehlt etwas, ohne dass wir uns daran erinnern müssten. Abgerutscht über den Rand des Bewusstseins. Es bleibt spürbar. Und wie bei jedem unbeachteten Verlust rücken wir ein Stück weiter in die Mitte unseres Bewusstseins, die nur das Allergewöhnlichste enthält: Die uns bekannten Tatsachen. Die Überraschungen bleiben zunehmend aus. Der Charakter festigt sich. (Bis sich das Gefühl einstellt, von einem Alien übernommen worden zu sein. Dann ist man endlich erwachsen).

Um zu den Gewissheiten zurückzukommen (siehe DR4), muss ich von hier – den Vögeln, dem Bewusstsein usw. – nicht weit ausholen. Ich war mir immer sicher, denkend verstehen zu können, zu müssen eigentlich, um nicht unterzugehen. Die größte Kränkung bestand darin, zurückgewiesen zu werden, weil ich etwas dachte, dass andere nicht dachten oder es für unwichtig oder sogar dumm hielten. Trotzdem habe ich mich mit meinen Gedanken oft vorgewagt und wurde dafür nicht selten abgestraft. Als arrogant, als Spinner, Grübler, Kopfmensch, als „Ach, ein Philosoph“ und so weiter. Das traf mich härter, als unerwiderte Gefühle. Die konnten mich kaum verletzen, da ich meine eigenen sowieso nicht zu zeigen traute. Was sollte ich da erwarten? Große Leidenschaft – wohl kaum. Ohne darüber nachgedacht zu haben, wusste ich auch nie, was ich gefühlt hatte. Das ist immer noch so. Nur denke ich heute darüber häufiger nach.

Die Gewissheit, verstehen zu können, weil ich es will, – natürlich nicht alles, nur das, was mir liegt -, sollte ich vielleicht, meinem Programm folgend, mal auf den Kopf stellen (also: derealisieren = fremd werden lassen). Möglicherweise ein Weg in die Selbstverblödung. Ich weiß auch nicht, wie es gehen soll, einfach mal nicht verstehen zu wollen. Sich dumm stellen. Aber eine Verstellung soll es nicht werden.

Abwarten, vielleicht fliegt dazu bald eine Idee am Rand meines Bewusstseins vorbei. Da schau ich jetzt genauer hin.

Derealisationen (4)

Eine ziemlich zwecklose Grübelei. Wenn man selbst kein Vater ist (siehe DR3). Also, dachte ich weiter, es gibt vielleicht doch einen Unterschied; die „ontologische Angst“ (siehe DR 2) könnte möglicherweise nicht auf den Tod gerichtet sein, wie die Todesangst, sondern auf das Leben. Sie wäre dann die Angst davor, nicht leben zu können. Oder noch praktischer: Ein verfehltes Leben zu führen, eines, dass man nie gewollt hat. Was ja mindestens so traurig ist wie der Tod. Aber hoffentlich nicht ganz so häufig vorkommt.

So ähnlich – das fällt mir gerade ein – wird von „ontologischer Sicherheit“ gesprochen, also in diesem Fall vom Gegenteil: der „ontologischen Unsicherheit“.

Ontologische Sicherheit (englisch ontological security), auch Seinsgewissheit, ist in der Soziologie nach Anthony Giddens das Vertrauen, das die meisten Menschen in die Kontinuität ihrer Identität und die Konstanz der sie umgebenden sozialen und materiellen Handlungsumwelt haben.[1] Ihr Gegenteil wird ontologische Unsicherheit genannt.
(Wikipedia)

Das ist ziemlich genau das, womit sich meine kleinen „Derealisationen“ hier beschäftigen sollen. Verunsicherungen der Seinsgewissheit. Durch Schock oder irgendwelche drastischen Einbrüche in die „Kontinuität“ des eigenen Dahinlebens. In der Regel wird man der Möglichkeit des Nichtseins ja nur gewahr, durch Todesfälle oder andere existenzielle Schrecklichkeiten. Krankheiten, Unfälle, Verstümmelungen, alles, was man nicht will.
Ob es ein Leben in ontologischer Unsicherheit geben kann, ohne ständig von einem existenziellen Schock in den nächsten zu fallen, und ob es überhaupt wünschenswert ist, den Tod nicht dauernd zu vergessen, ist die Frage, die mich angestoßen hat, mit diesen bröckeligen, manchmal wirren, jedenfalls kurzen Texten eine laienhafte, subjektive Forschung zu beginnen. Eine Forschung, mit der ich meine persönlichen Gewissheiten in Frage stellen möchte. Dafür müsste ich allerdings erstmal durchschauen, welche das sind; welche Überzeugungen lassen mich so leben, wie ich es tue? ( Ha, Abspann … Cliffhanger … demnächst dann neue Grübeleien in Folge 5)

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