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Schlagwort: Macht

“I am an Antichrist”: Punk Science vs. Zombie Politics

Ich will jetzt mal etwas über “das Böse” schreiben. Ist das eigentlich erlaubt? So ein Griff in die oberste Schublade, “das Böse”, ja, genau, “das”, verlangt ja nach wissenschaftlicher Gründlichkeit, Philosophie, Psychologie und auch die Religion redet bei dem Thema nicht nur mit, sondern hat eigene alte Ansprüche, historisch betrachtet, handelt es sich beim Bösen um ihre Erfindung. Die Religion hat das Böse in die Welt gebracht, natürlich als Antipode zu sich selbst, aber das ändert nichts: Es gibt das Gute nur, weil das Böse existiert. Und nach ihrer ersten Hochzeit und dem anschließenden Niedergang sieht es heute so aus, als würde ein neues Zeitalter der Religion anbrechen, dieses Mal unter verkehrten Zeichen, im Namen eines bösen Gottes. Mag sein, dass es nicht stimmt, dass es viel zu pathetisch oder sogar selbst religiös erscheint, heute so auf die Welt zu blicken – nur, ist es gar kein Blick, also keine bestimmte Perspektive, die dazu führt, die heutige Welt wieder als ein religiöses Zerrbild einer viel komplexeren Realität wahrzunehmen, es ist gerade der Wunsch das nicht zu tun, die Vorstellung, dass alle Religionen doch schon lange ausgedient haben müssten, gerade diese Vorstellung macht doch vollkommen klar, dass es eben nicht so ist: Die meisten Menschen sind Gläubige, Anhänger institutionalisierter Religionen. Weiterlesen

große Wir, das (Wörterbuch)

Als Stilmittel politischer Rhetorik und Propaganda wird das große „Wir“ oft eingesetzt, wenn ein gesellschaftlicher Zusammenhalt behauptet werden soll, der in der Realität nicht existiert. Als ein Klassiker des großen „Wirs“ kann die Aussage gelten: „Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen“. Damit soll der Eindruck erweckt werden, dass unter politischen Maßnahmen zu Lasten der ärmeren Bevölkerungsschichten, auch die Reichen leiden werden. Da dies faktisch und offensichtlich nie der Fall ist, kann diese stereotype Propagandalüge zwar leicht durchschaut werden, durch ständige Wiederholung soll sie dennoch unterschwellig beruhigend auf die tatsächlich Betroffenen einwirken.

Ein weiteres und allgemein bekanntes Beispiel ist die Standardformel: „Wir lassen uns unsere freie Lebensweise nicht von Terroristen nehmen“. In diesem Fall wird das große „Wir“ dazu benutzt, um nach Terroranschlägen oder Angriffen durch einen äußeren Feind, für bestimmte Bevölkerungsgruppen (ethnische Minderheiten, Flüchtlinge, Jugendliche, Arme, Radikale, Asoziale etc.) genau die Freiheiten einzuschränken, die angeblich geschützt werden sollen. Ebenfalls wird nach Terroranschlägen gern behauptet, sie seien „Angriffe auf unsere gemeinsamen Werte“ gewesen.  Diese Leerform kann je nach Bedarf mit verschiedenen Bedeutungen gefüllt werden, was meist der Fantasie des Publikums selbst überlassen bleibt. Die propagandistische Funktion dieser Formulierung besteht zunächst darin, „uns“ alle zu Opfern des Terrors zu machen, indem sie eben nicht auf die Toten und Verletzten hinweist, sondern auf unsere ideologische Wertegemeinschaft, das große Wir, das damit zum eigentlichen Ziel der Terroristen erklärt wird.  Der reale Gewaltakt wird mit dieser Aussage um eine symbolische Bedeutung erweitert,  die nahe legt, dass die ideelle Existenz von Werten genau in der gleichen Weise ausgelöscht werden kann, wie es mit Menschen oder materiellen Werten geschieht. Tatsächlich können normative Werte zwar selbst aufgegeben, aber nicht von einem äußeren Feind zerstört werden, und so dient die Sprachfigur vom „Angriff auf unsere Werte“ vor allem als ein Ablenkungsversuch, der darüber hinwegtäuschen soll, dass wir uns selbst nicht mehr an die gemeinten Werte halten.

„Das große Wir“ erfüllt damit den Zweck, politische und ökonomische Interessen der Machtbesitzenden und Herrschenden so zu deklarieren, als wären sie aller Vernunft nach im Sinne der gesamten Gesellschaft.

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