Und schon wieder strömten die Flüchtlinge über die Bildschirme direkt in unsere Wohnzimmer. Goldene Zeit der TV-Jahresrückblicke. Und immer noch ist die Angst groß, wie es scheint. Der “Kontrollverlust der Politik” wird beklagt, sowas dürfe nicht passieren, da wird dem Bürger zuerst mulmig, dann schlägt Angst in Wut und schließlich in Hass um. Das sei zu beklagen, aber nicht zu ändern, weil es quasi ein natürlicher Vorgang sei: Wem die Natur kommt, der muss ihr folgen, Druck ablassen, sonst geht’s in die Hose. Die verantwortlichen Politiker müssten schon verhindern, dass sich ihre Wähler einnässen. Sonst laufen sie ihnen weg. Und zwar aus Mitte an den Rand, wo sie alles rauslassen dürfen. So sieht das allgemeine Fazit aus: Die Politik müsse der Panik vorgreifen, indem sie so handelt, als wären die Befürchtungen der Bürger tatsächlich berechtigt. Das ist zwar absurd und um es mal in Anlehnung an das Wort des Jahres 2016 zu sagen, das wäre dann “präfaktische” Politik, die auf Ängste reagiert, die die Wähler bald haben könnten. Tatsächlich ist das schon lange gängige Praxis. Allerdings nicht, wie man denken könnte, um irrationalen Ängsten frühzeitig zu begegnen, sondern um sie zu schüren und zu instrumentalisieren für eigene Zwecke.
Angstmache ist ein Mittel der Politik seit es sie gibt und sie wurde auch in den gegenwärtigen politischen Diskurs nicht erst von den Rechtspopulisten eingeführt. Die Durchsetzung der angeblich “alternativlosen” neoliberalen Agenda, der Krieg gegen den Terror und auch die Bankenrettung nach dem Finanzcrash 2008 wären ohne sie nicht möglich gewesen. Dass die Demokratie dadurch von ihren eigenen Repräsentanten delegitimiert und geschwächt wurde, fällt ihnen jetzt auf die Füße. Der Aufstieg der Populisten wird genährt von der Unglaubwürdigkeit der Demokraten.
Das macht es so lächerlich, den Vertretern der etablierten Parteien jetzt dabei zuzuschauen, wie sie in den üblichen Talkshows ihre ehrliche Politik gegen die Lügen der Populisten verteidigen. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen offensichtlichen Lügen und Zuspitzungen und Vereinfachungen, nur ist er vielleicht so fein, dass er von Nicht-Politikern kaum erkannt werden kann. Letztlich bleibt von all den Verdrehungen nur hängen, dass jeder Politiker sie benutzt, um seine Interessen zu verfolgen. Dass sich das bessere Argument durchsetzt, sei einer der großen Vorzüge der Demokratie, das wird jetzt oft von den blinden Parteisoldaten betont, denen Argumente bisher nur etwas galten, wenn es die eigenen waren. Dass gerade dieses Personal, das die Demokratie mit ihrer Ignoranz und Geltungssucht so nachhaltig beschädigt hat, nun zu ihrer Verteidigung herhalten muss, kann einem wirklich Angst machen.
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