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Lost in Media

Schlagwort: Flüchtling

Das Ende einer Freundschaft

Im Frühsommer 2015, als sich das in der Öffentlichkeit vorherrschende Thema von Griechenland auf die Flüchtlinge verschob, begann der Zersetzungsprozess einer mehrjährigen, teilweise engen Freundschaft. Auf dem Weg zum Biergarten hatte es schon die erste Meinungsverschiedenheit über die Aktion des Zentrums für politische Schönheit gegeben, das mit zwei Beerdigungen von Flüchtlingen und mit der symbolischen Errichtung von Grabstätten in der Stadt das Ertrinken von Menschen im Mittelmeer ins öffentliche Bewusstsein heben wollte. Die Toten kommen (http://www.politicalbeauty.de/toten.html) – für meinen Begleiter, der sich gar nicht über den Inhalt der Aktion informiert hatte, die er vehement ablehnte, gab es vor allem diese Kritikpunkte: das alles sei pietätlos und die Leute vom ZfpS seien nur darauf aus, sich selbst in den Vordergrund zu schieben, außerdem hätte das nichts mit Kunst zu tun. Auf meine Erläuterungen hinsichtlich des symbolischen Gehalts der bewusst provokativen Inszenierung der Aktion gab es dann positive Resonanz. So hätte er das noch nicht gesehen. Weiterlesen

Post Mortem Politics: Willkommen in der Postdemokratie (2)

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Februar 2017

Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat Marine Le Pen realistische Chancen. Der Kandidat der Linken Hamon scheint schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Partei Hollandes diskreditiert. Der konservative und neoliberale Kandidat Fillon schmiert in den Umfragen ab, nicht zuletzt aufgrund der Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau. Als Shootingstar ausgerufenen wird Emmanuel Macron, der sich liberal-demokratisch positioniert. Ob die Jugendlichkeit des ehemaligen Wirtschaftsministers ausreicht, um die bestehende Verachtung der Eliten nicht zugunsten von Le Pen ausschlagen zu lassen, bleibt abzuwarten. Le Pen und ihre aus der antieuropäischen Linken stammende rechte Hand Florian Philippot gerieren sich jedenfalls als die wahren Verteidiger des Sozialstaates.

Empörung: Donald Trump macht die Grenzen dicht. Die europäischen Regierungschefs haben allerdings für den alten Kontinent nichts anderes beschlossen. Auf dem EU-Gipfel Anfang Februar wurde die „zentrale Mittelmeer-Route“ für Afrikaner von Libyen nach Italien geschlossen. Legale Fluchtwege aus Afrika nach Europa oder die Umverteilung von Asylbewerbern innerhalb der 28 Staaten standen nicht auf der Tagesordnung. Libyen ist nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi in Chaos versunken. Die libysche Küstenwache soll nun ausgebildet und verstärkt werden, um Bootsflüchtlinge zurück nach Libyen zu schicken. Eine funktionierende Verwaltung gibt es dort nicht. Europa sichert aber zu, dass in den zu errichtenden Auffanglagern die „volle Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts“ gewährleistet werden kann.      https://www.taz.de/!5377511/

Tausende Flüchtlinge sitzen bei eisigen Temperaturen unter menschenunwürdigen Verhältnissen im Südosten von Europa fest. Weder die Regierung in Serbien noch die in Griechenland kümmert sich um ausreichende Versorgung der Flüchtlinge mit Nahrung, um den Schutz vor Kälte oder die unerträglichen sanitären Verhältnisse. Abschreckung ist das erste Gebot der christlichen europäischen Wertegemeinschaft.

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-neue-dschungel

https://www.tagesschau.de/ausland/kaelte-griechenland-fluechtlinge-103.html

Der ADAC veröffentlichte am 17.1. eine Studie zur Pkw-Maut, die Verkehrsminister Dobrindt (CSU) gegen den anfänglichen Widerstand der EU-Kommission einführen will. Für das Startjahr 2019 errechnete der Autolobbyverein eine “Unterdeckung” von 147 Millionen Euro. Dobrindt behauptet weiter einen Gewinn – den er vor allem wohl auf ideologischem Terrain erzielen will: zahlen sollen nur ausländische Nutzer der deutschen Autobahnen. So wird dem Populismus Paroli geboten. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hält die erst von der CSU so genannte “Ausländermaut” trotz Zustimmung aus Brüssel für nicht kompatibel mit EU-Recht. Generalsekretär Andi Scheuer meint: “Bei so viel fachlicher Ignoranz muss man die Frage nach dem Sinn des Wissenschaftlichen Dienstes stellen.” Klarer Fall: vernünftig ist, was der Partei nutzt.

http://www.berliner-zeitung.de/politik/zweifel-an-einnahmen-fachen-streit-ueber-pkw-maut-wieder-an-25711558

Die graue Mitte

Und schon wieder strömten die Flüchtlinge über die Bildschirme direkt in unsere Wohnzimmer. Goldene Zeit der TV-Jahresrückblicke. Und immer noch ist die Angst groß, wie es scheint. Der “Kontrollverlust der Politik” wird beklagt, sowas dürfe nicht passieren, da wird dem Bürger zuerst mulmig, dann schlägt Angst in Wut und schließlich in Hass um. Das sei zu beklagen, aber nicht zu ändern, weil es quasi ein natürlicher Vorgang sei: Wem die Natur kommt, der muss ihr folgen, Druck ablassen, sonst geht’s in die Hose. Die verantwortlichen Politiker müssten schon verhindern, dass sich ihre Wähler einnässen. Sonst laufen sie ihnen weg. Und zwar aus Mitte an den Rand, wo sie alles rauslassen dürfen. So sieht das allgemeine Fazit aus: Die Politik müsse der Panik vorgreifen, indem sie so handelt, als wären die Befürchtungen der Bürger tatsächlich berechtigt. Das ist zwar absurd und um es mal in Anlehnung an das Wort des Jahres 2016 zu sagen, das wäre dann “präfaktische” Politik, die auf Ängste reagiert, die die Wähler bald haben könnten. Tatsächlich ist das schon lange gängige Praxis. Allerdings nicht, wie man denken könnte, um irrationalen Ängsten frühzeitig zu begegnen, sondern um sie zu schüren und zu instrumentalisieren für eigene Zwecke.
Angstmache ist ein Mittel der Politik seit es sie gibt und sie wurde auch in den gegenwärtigen politischen Diskurs nicht erst von den Rechtspopulisten eingeführt. Die Durchsetzung der angeblich “alternativlosen” neoliberalen Agenda, der Krieg gegen den Terror und auch die Bankenrettung nach dem Finanzcrash 2008 wären ohne sie nicht möglich gewesen. Dass die Demokratie dadurch von ihren eigenen Repräsentanten delegitimiert und geschwächt wurde, fällt ihnen jetzt auf die Füße. Der Aufstieg der Populisten wird genährt von der Unglaubwürdigkeit der Demokraten.

Das macht es so lächerlich, den Vertretern der etablierten Parteien jetzt dabei zuzuschauen, wie sie in den üblichen Talkshows ihre ehrliche Politik gegen die Lügen der Populisten verteidigen. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen offensichtlichen Lügen und Zuspitzungen und Vereinfachungen, nur ist er vielleicht so fein, dass er von Nicht-Politikern kaum erkannt werden kann. Letztlich bleibt von all den Verdrehungen nur hängen, dass jeder Politiker sie benutzt, um seine Interessen zu verfolgen. Dass sich das bessere Argument durchsetzt, sei einer der großen Vorzüge der Demokratie, das wird jetzt oft von den blinden Parteisoldaten betont, denen Argumente bisher nur etwas galten, wenn es die eigenen waren. Dass gerade dieses Personal, das die Demokratie mit ihrer Ignoranz und Geltungssucht so nachhaltig beschädigt hat, nun zu ihrer Verteidigung herhalten muss, kann einem wirklich Angst machen.

Maulhelden

Vielleicht hab ich mich zu sehr daran gewöhnt, dass es Realitäten gibt, die nicht in mein Weltbild passen. Rechtsradikale, eigentlich ja unvorstellbar, ISIS, AfD, Investmentbanker, Drohnen, kämpfende Truppen und so weiter, kenne ich zwar alle persönlich nicht, gibt es aber angeblich trotzdem. Jedenfalls hör ich viel davon. Sogar soviel, dass ich mich frage, weshalb die in meiner Wirklichkeit überhaupt nicht vorkommen. Auf der Straße sehe ich alte Leute, die gibt es hier, da ich nicht mehr im Stadtzentrum wohne, Schulkinder auf dem Nachhauseweg und Hunde, die ausgeführt werden, auch ein Hausschwein ist dabei; auffällig sind die vielen gerade zugezogenen Studienanfänger und vielleicht auch ein paar Flüchtlinge, aber da bin ich mir nicht sicher und natürlich gibt es auch noch Weddinger Türken, die werden allerdings immer seltener. Der Freundeskreis deutscher Trinker vor dem Kiosk “Tante Emma”, der von einer indischen Familie geführt wird, hält sich seit Jahren einigermaßen stabil, ich nehme an, die Fluktuation ist groß, aber es gibt wohl ausreichend Nachwuchs. Weiterlesen

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