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Lost in Media

Schlagwort: Fernsehen (Seite 1 von 2)

Personality Showdown

Nach der Musik änderte die Moderatorin die Tonlage. Die Gesichter wurden ernst. Der Autor war dran. Sie las seine Kurzbiografie von der Moderationskarte ab, nur die wichtigsten Stationen einer beachtlichen Karriere, fügte sie hinzu. Er saß da wie versteinert, vorgebeugt, die Arme auf den Lehnen und blickte zu Boden. Man wisse ja, dass er sich in der Öffentlichkeit rar mache, deshalb sei es eine besondere Ehre ihn in der Sendung begrüßen zu dürfen. Es gab zaghaften Applaus und er rührte sich ein bisschen, nickte mit dem Kopf, aber seine Augen waren immer noch nicht zu sehen. Eine junge Schauspielerin, die vor ihm an der Reihe gewesen war, sah ihn an und lächelte, von Künstler zu Künstler, ihr Gesicht füllte den Raum.
Ob es seine Talkshow-Premiere ist, fragte die Moderation.
Ja, sagte der Autor.
Sie geben auch keine Lesungen, das ist ungewöhnlich, sagte sie, scheuen sie den Kontakt mit ihren Lesern?
Ich kann das nicht, sagte er und sah sie an, dabei kommen völlig falsche Töne heraus. Ich schreibe nicht, um meine eigenen Texte zu lesen, das wäre ein Bruch der Intimität zwischen Leser und Text. Als Leser sollte man schon selber lesen können.
Das war ein Lacher. Auch die Moderatorin lächelte.
Aber üblich ist das nicht, sagte sie. Das gehöre zum Kerngeschäft, ob der Verlag nicht Druck mache?
Was geht mich das an, sagte er.
Sie wollen ihre Bücher verkaufen, vermute ich mal.
Aber nicht um jeden Preis. Ich finde das abstoßend, wie die Autoren ins Rampenlicht gezerrt werden. Als wäre der Text nichts wert, wenn der Schreiber sich nicht gleich mitverkauft.
Natürlich geht es ihnen in erster Linie um ihre Arbeit,
dabei hielt sie sein neuestes Buch in die Kamera,
aber sie sind doch auch eine interessante Persönlichkeit, das muss sich doch nicht ausschließen.
Woher wollen sie denn wissen, dass ich eine interessante Person bin?
Das entnehme ich ihrem Buch, ich finde es sehr lesenswert.
Das macht doch keinen Sinn, sagte er und warf einen Blick in die Runde, es gibt überhaupt keine interessanten Persönlichkeiten.
Dann können wir unsere Sendung ja einstellen.
Von mir aus gern!
Warum sind sie dann in unsere Sendung gekommen?
Genau deshalb!
Damit wir unsere Sendung einstellen?
Kann man so sagen.
Das ist ein bisschen viel verlangt, mischte sich jetzt ihr Moderatorenkollege ein. Wir sollen unsere Sendung einstellen, weil sie sich für eine uninteressante Person halten? Das ist vielleicht auch nicht ganz fair unseren anderen Gästen gegenüber.
Die haben doch auch nichts zu sagen, sagte der Autor.
Wenn ich mal was dazu sagen darf, sagte ein Sänger, der am Anfang der Sendung seinen Auftritt gehabt hatte, ich finde das nicht sehr höflich von ihnen, aber geschenkt. Nur: Was wären sie denn ohne ihre Leser?
Dann wäre ich ein Autor ohne Leser, sagte der Autor.
Und damit wären sie glücklich?, fragte der Sänger.
Glücklich bin ich jetzt auch nicht.
Das merkt man, sagte die Moderatorin und da bereits die Musik zum Ausklang der Sendung lief, bedankte sie sich ausdrücklich bei allen Gästen und lud die Zuschauer ein, bei der nächsten Sendung am kommenden Freitag wieder dabei zu sein.

Überall Verzweiflung

Die ARD verabreicht seinen Zuschauern am langen Reformationstag-Wochenende etwas Besonderes. Hans Christian Schmid hat den Vierteiler “Das Verschwinden” inszeniert, mit Julia Jentsch in der Hauptrolle und vielen anderen gut besetzten Nebenpersonen. Eine dunkle fesselnde Geschichte über Familienverhältnisse in einem bayerischen Dorf, Crystal Meth und das Verschwinden einer fast erwachsenen Tochter. – In der FAZ schreibt nun Ursula Scheer am 21.10. eine Kritik zur Miniserie: “Es ist alles zum verzweifeln”. Im Artikel weist sie darauf hin, dass der Film “einen Sog allumfassender Depression” auszulösen beabsichtige und diesen Effekt wohl auch erreiche. Der Zuschauer wird vor dem Fernseher allein gelassen: tief hängende Wolken, kaum Musik, kein Trost, vor allem gibt es “keinen Humor”. Die Protagonisten leiden an innerem Schmerz, Schuld, Verzweiflung, auch Drogen und Gewalt gibt es. Soll man das dem Zuschauer – einmal angenommen, dass es z.B. Drogenprobleme im ländlichen bundesrepublikanischen Alltag gibt – überhaupt zumuten, sie haben ja schließlich nicht für schlechte Laune bezahlt. Frau Scheer meint: Nein. Das Fernsehen ist dazu da, zu unterhalten (wie am Sonnabend vorher: über vier Stunden Schlager mit Flori Silbereisen), die Wirklichkeit zu Verschönen, und wenn dann jemand mal eine anspruchsvolle Informationssendung gleich mit konsumiert, nahezu ohne es zu merken, ist das öffentlich-rechtliche Erfolgsmodell angekommen. Der ideale Gebührenzahler verliert auch nicht die gute Laune, wenn die eigene Tochter vermutlich tot ist oder mit ihren Freundinnen im Crystal-Meth-Milieu unterwegs ist. Jedes Problem kann, mit Humor kombiniert, zur bunten abendlichen Freude werden.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik/epische-verzweiflung-die-ard-serie-das-verschwinden-15256142.html

Woche 14 (April)

  • Eine Frau an der Front (TV/Arte) Serie
  • NSU: Mitten in Deutschland. Die Ermittler (TV/ARD) Fernsehfilm
  • Iggy Pop: „Sind sie müde oder sind sie krank“ (online/Spon) Interview/Artikel von Philipp Oehmke
  • Musikpreis: Quälend biederer Bausparvertragpop beim Echo (online/Berliner Zeitung) Artikel von Jens Balzer
  • In Flanders Fields (online) Gedicht von John McCrae aus dem Jahr 1915
  • Kunstszene in Berlin: So verändert sich der Kiez in Wedding (online/Berliner Zeitung) Artikel von Beate Scheder
  • Panama Papers: Die Deutschen in den Panama Papers (online/SZ) Artikel
  • Böhmermanns Erdogan-Satire: Ermittlungen gegen das ZDF (online/faz.net) Artikel

Herr Elmar von der CDU (TV/ARD) Talkshow Anne Will

Eingeladen ist auch Elmar Brok, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlaments, um die Position der Kanzlerin zu erklären. Sie hatte in einem Telefongespräch mit dem türkischen Premierminister gesagt, das Schmähgedicht von Jan Böhmermann sei „bewusst verletzend“ gewesen. Herr Brok meint dazu, auch die Kanzlerin hätte ein Anrecht auf Meinungsfreiheit. Offenbar betrachtet er Gespräche zwischen gewählten Regierungsspitzen als Privatsache ohne politischen Gehalt. Wahrscheinlicher ist aber, dass er als optischer Gemütsmensch vorgeschickt wurde, um vom politischen Kern des Problems abzulenken. Mit einer schwer zu ertragenden Bräsigkeit versucht er einen politischen Akt der vorauseilenden Anbiederung nachträglich in eine private Geschmacksfrage umzudeuten. Es scheint fast so, als würde nach dem schon dümmlichen Telefonat, jetzt eine noch dümmere Argumentation hinterher geschoben. Brok formuliert in der Sache dermaßen bewusst unpolitisch, dass man ihm und seinen Auftraggebern jeden politischen Verstand absprechen müsste, wenn seine Argumente nicht noch einem anderen Zweck dienen würden. Sie sind nur zu begreifen als Aussagen 2. Ordnung, also als rein selbstbezügliche, mit denen eine eigentlich unfassbar klägliche politische Fehlleistung verschleiert werden soll: Mit ihrem Gerede hat die Kanzlerin offenbar versucht, den ständig beleidigten türkischen Präsidenten zu beschwichtigen. Dass sie dabei von einer bewussten Verletzung der Würde des Präsidenten sprach, nicht etwa von Satire, hat ihm erst die Tür geöffnet, um die strafrechtliche Verfolgung Böhmermanns zu fordern.

S. Seibert (April)

IMGP1250

„Ich habe meinen Ausführungen nichts hinzuzufügen“

Steffen Rüdiger Seibert / Sprecher der Bundesregierung

Definition: Medienzombie, der (Abk. MZ o. Mezo): Person, deren wahrnehmbare Funktion ausschließlich darin besteht, in den Medien zu erscheinen und/oder die aufgrund ihrer Dauerpräsenz in den Medien vor Augen der Öffentlichkeit zunehmend geistig-moralisch und/oder körperlich (vor allem physiognomisch) verfällt.

(Foto: Fritz Bias)

 

Woche 13 (März/April)

  • Lebensausflüge eines Austauschschülers (online/taz.de) Rezension von Detlef Kuhlbrodt zu Joachim Meyerhoffs Roman „Alle Toten fliegen hoch“
  • Mitten in Deutschland: NSU / Die Täter: Heute ist nicht alle Tage (TV/ARD) Fernsehfilm
  • Martin Walser: Ein sterbender Mann (Buch) Roman
  • Die Linkspartei hat das Politikmachen aufgegeben (online/faz.net) Artikel von Mechthild Küpper
  • Schleichende Zombifizierung (online/freitag.de) Essay, Blogbeitrag von René Korth
  • Big Gold Dream: Scottish Post-Punk and infaltrating the Mainstream (Kino) Dokumentarfilm von Grant McPhee
  • Erdogan Gedicht: Böhmermanns Satireschmäh (online/Über Medien) Kommentar von Stefan Niggemeier

Plastiktüte (TV/ZDFheute) Nachrichten

Ein Sprecher des Einzelhandels sagt, man setze weiterhin auf die bereits eingegangene Selbstverpflichtung, eine gesetztliche Regelung, wie sie jetzt doch auf den Weg gebracht werden soll, wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Es gehöre zum Selbstverständnis des Konsumenten, die „Kundentragetasche“ umsonst zu bekommen .

Stimmungen

Heinz Bude präferiert die Gelassenheit als angebrachte Stimmung (Kulturzeit 14.3.) in unruhigen Zeiten. Auch in Bezug auf die AfD plädiert er für einen abwartenden Umgang mit der teilweise moderat oder eben extrem rechts eingestellten Partei. – Aber ist nicht der Erfolg der AfD zentral darin begründet, Ressentiments, oft: Hass, endlich auch öffentlich ganz frei äußern oder herausschreien zu können? Rassismus, ganz authentisch und mit guten Gewissen. Auch wenn sich die Partei nach dem Einzug in drei weitere Landtage seriös geriert und von Journalisten auch so behandelt wird, als sei sie ganz normaler Bestandteil im Streit der Meinungen. Inwiefern jedoch die Auseinandersetzung mit realen gesellschaftlichen Verhältnissen für diese Klientel angenommen werden kann, ist doch fraglich. Viele sind froh, sich nicht mehr für ihre rabiat beschränkte Weltsicht rechtfertigen zu müssen.

Weiterlesen

Woche 9 (März)

  • Birdman (DVD) Film/R: Alejandro G. Inarritu
  • Mysterien des Weltalls (TV/ZDFinfo) TV-Doku
  • Auf kurze Distanz (TV/Das Erste) Fernsehfilm
  • KenFM im Gespräch Karin Leukefeld über den Status Quo in Syrien (Online/Youtube) Interview
  • Zum Geburtstag (DVD) Film/R: Denis Dercourt
  • Thementag: Wilde Western (TV/3sat) Western-Klassiker
  • Was ist das niedrigste & höchste Gehalt im Allianz-Konzern? (Online/Youtube) Video auf Youtube-Kanal Jung & Naiv

Woche 7 (Feb)

  • S.P.O.N. – Der Kritiker: Plädoyer für die Zukunft (Online/Spiegel Online) Kolumne von Georg Diez
  • 1. Schultag meines Bruders, 1972 (Fotoalbum) Foto im Familienalbum
  • Sannyasins im Schlachthof-Viertel (Online/Zeit Online) Artikel von Doris Brandt
  • Wie ahnungslos kluge Leute doch sein können (Zeitung/Zeit) Artikel von Herfried Münkler
  • Boardwalk Empire, Staffel 5 (DVD) TV-Serie
  • Hitlers nützliche Idole: Max Schmeling (TV/Phoenix) TV-Doku
  • Jack Reacher (DVD) Film
  • Reservoir Dogs (DVD) Film/R: Quentin Tarantino
  • Lulu und Jimi (DVD) Film/R: Oskar Roehler
  • Auf die Couch! (Online/derFreitag) Artikel von Oliver Burkeman
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