Heinz Bude präferiert die Gelassenheit als angebrachte Stimmung (Kulturzeit 14.3.) in unruhigen Zeiten. Auch in Bezug auf die AfD plädiert er für einen abwartenden Umgang mit der teilweise moderat oder eben extrem rechts eingestellten Partei. – Aber ist nicht der Erfolg der AfD zentral darin begründet, Ressentiments, oft: Hass, endlich auch öffentlich ganz frei äußern oder herausschreien zu können? Rassismus, ganz authentisch und mit guten Gewissen. Auch wenn sich die Partei nach dem Einzug in drei weitere Landtage seriös geriert und von Journalisten auch so behandelt wird, als sei sie ganz normaler Bestandteil im Streit der Meinungen. Inwiefern jedoch die Auseinandersetzung mit realen gesellschaftlichen Verhältnissen für diese Klientel angenommen werden kann, ist doch fraglich. Viele sind froh, sich nicht mehr für ihre rabiat beschränkte Weltsicht rechtfertigen zu müssen.
Meine Friseuse lässt ihren Frust an den Flüchtingen aus, die die Parkanlagen gegenüber dem LaGeSo verschmutzen und Frauen belästigen.
Mein Bruder sagt, natürlich hätte ich Recht mit meinen Bemerkungen über die ungerechte Welthandelsordnung, natürlich genießen wir die Vorteile des freien Warenverkehrs, von der freilich reisende Produzenten dieser Waren ausgeschlossen sind usw. Aber gerade jetzt müsse man doch handeln!
Gibt es denn keine Kultur, kein Land, in das die Flüchtlinge ziehen können, anstatt zu uns, sagt meine Schwester.
Meine Freundin wird aggressiv, da ich ein Feindbild hätte: den Mittelstand (ich habe gar nichts gesagt). Der Mittelstand, dem sie kraft Einkommen und Status angehört, ist die zentrale positive persönliche und gesellschaftliche Positionierung, aufgrund der sich sagen lässt: das Leben ist zwar sinnlos, aber so schlecht denn nun auch nicht.
Vermutlich will sich jedes irgendwie gefährdete oder entfremdet konstituierte Leben einbetten in Zugehörigkeit und eine Zuversicht – teilweise gestärkt durch Ressentiment und Hass -, die nicht besonders stabil sein muss und auch nicht gegründet in differenzierten Informationen oder gestärkt durch offene Debatte.
Wie kann eine Befassung mit den Positionen fremdenfeindlicher oder völkischer Art und dem Auftreten ihrer Vertreter aussehen, um welche Rationalität & welche Stimmungen geht es und wie kann Politik bzw. eine offene Gesellschaft dem begegnen, damit Menschenfeindlichkeit nicht weiter zunimmt?
Eine vermeintlich rationale Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen, die genau wissen, was sie in der Öffentlichkeit von sich geben und was sie eigentlich für richtig halten, muss wohl schon im Ansatz scheitern. Die Attraktivität der Bewegung liegt gerade darin, sich nicht auseinandersetzen zu müssen, sondern einfach recht zu haben oder sich Leuten in der Öffentlichkeit verbunden zu wissen, die das ausdrücken. Aktuell jedenfalls scheint Radikalisierung und Enthemmung die tonangebende Stimmung und Rationalität zu sein. Und die Politik beteiligt sich daran durch Fürsprache für die sog. besorgten Bürger, als die nicht diejenigen gelten, die Rassismus und sich freimütig entladende Intoleranz fürchten.
März 21, 2016 at 8:26 am
Hier gibt es ein Gespräch über das Stimmungsbuch von Heinz Bude(3satbuchzeit):
http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=57642