Die beiden Moderatoren sind nach nur 4 Sendungen von ihrem stylishen Format selbst entäuscht und versichern, dass sie nicht daran glauben, dass es fortgesetzt wird. Das schlägt aufs Gemüt. Die Gäste sind grauenhaft (Nikolaus Blome/Bildzeitung), ziemlich verwirrt (G. Hobi /Flüchtling, der von Böhmermann auch immer so angesprochen wird: Was sagt denn der Flüchtling dazu), deplaziert Sophie Hunger (Musikerin), fernsehtauglich (Kat Kaufmann/Berlin-Mitte).
In der ersten Sendung war noch die Rede davon, dass echte Gespräche erwünscht wären, auch zwischen den Gästen. Die Moderatoren lassen nur das Kurzformat zu und reihen oft als Fragen getarnte Gags aneinander. Die Gäste haben sich nichts zu sagen, jeder spricht aus seiner Welt. Einspieler, geschrieben und vorgetragen von Sibylle Berg, werden eingespielt, währenddessen gucken die Betroffenen in eine Kamera, außerdem gibt es noch Tischgimmicks, in dieser Sendung: Ein 6-8 Gänge Menü. Berg spießt die Gäste in ihren Kurzporträts je nach Sympathie und öffentlicher Funktion mehr oder weniger auf, das wird wohl als Mutprobe verstanden. Die meisten zeigen sich amüsiert, ist ja nicht ernst gemeint und außerdem nur Fernsehen. Da kommt es vor allem auf den Gesichtsausdruck an, darüber wird der Gesamteindruck geregelt, dass haben natürlich die Fernsehleute am besten verstanden. Zwischen denen läuft es, die anderen wirken immer zu sperrig. Die Form zu beherrschen, heißt hier vor allem lustig und intelligent zu wirken und schnell zu sein, um den Seitenwechseln lässig folgen zu können, auf keinen Fall aber nachdenklich oder verbissen rüberzukommen oder darauf zu bestehen, etwas zu sagen zu haben.
Dagegen ist wohl nichts zu machen, selbst im Gegenentwurf ist schon die Leere anwesend, die in den klassischen Talkshows gepflegt wird. Die Grenze der Unterhaltung zieht das Fernsehen immer selbst: darin ist nur möglich, was schon vorher drin war und das ist eigentlich nichts. Warum ein Kölner Ex-Zuhälter und der Hochstapler Gerd Postel eingeladen wurden, scheinen die Moderatoren vergessen zu haben, sie funktionieren nicht. Müssen sie auch nicht, aber das hier ist Fernsehen. Da darf sich das Abweichende nicht im Kopf abspielen, es gehört vor die Kamera. Dass dagegen ausgerechnet Angestellte der Bildzeitung von der Redaktion offenbar als perfekte Talkgäste angesehen werden, ist irgendwie traurig.
So gesehen waren Talkmutter Sabine Christiansen und ihre Nachfolger schon genauso interessant, wie das hier. Weil es ja gar nicht darum geht, Inhalten zu folgen, sondern darum, den fernsehtypischen Strukturen bei der Arbeit zuzuschauen. Gegen die strukturelle Dummheit des Fernsehens ist ja nichts einzuwenden, wenn sie sichtbar wird. Und schlau und noch unterhaltsamer ist es dann, wenn das nicht nur ein Fehler im System war. Markus Lanz hat hier als Gast gezeigt, wie echte Fernsehmacher solche Fehler fürchten und wie echt die Verstellung ist, die ihn als Mensch auszeichnet und ohne die seine Sendung nicht funktionieren würde. Innen und Außen sind bei Lanz absolut identisch, würde man ihn umkrempeln, wären auch seine Gedärme nett anzuschauen. Er spielt nicht, er ist ganz in dem Charakter aufgegangen, dem er seine Beliebtheit zu verdanken hat, gerade bei dem großen Publikum, das auch schon Dieter Thomas Heck vertraut hat. Gegen solche Mobsympathie sind die Comic-Moderatoren Schulz&Böhmermann immun. Sie sind in ihrem hysterischen Modus extrem leicht kränkbar, schnell auch selbstverletzend, was schön mitanzusehen ist, durch den Filter deutscher Sehgewohnheiten aber als entartete Kunst wahrgenommen werden dürfte. Über ihre Gesichter läuft ständig die Frage, war das jetzt peinlich oder sogar abstoßend für den Zuschauer, kann ein zu hohes Maß an Selbstentblößung noch durch Ironie korrigiert werden, oder muss man das jetzt mal hinnehmen, schlecht auszusehen, weil die Form Unberechenbarkeit vorsieht? Wie Sybille Berg in einem Antext gesagt hat: „Aber im Fernsehen sind ja alle sympathisch“. Was wohl heißen soll, alle versuchen panisch sympathisch zu wirken, ob sie es sind oder nicht, womit wir wieder bei der Leere des Fernsehens angekommen wären. Und bei der irritierenden Vorstellung, dass wir vielleicht unsere Innenwelt inzwischen so zu entwerfen versuchen, dass wir im Fernsehen nicht wie ein Teil der Außenwelt wirken würden. Das könnte dann bedeuten: „Aber in Wirklichkeit sind das ja alles Arschlöcher“.
(Woche 4)
Kommentar verfassen