Es galt doch immer als ausgemacht, dass eine rechtspopulistische Partei auch in Deutschland möglich wäre, wenn ein charismatischer Führer käme, der also gut aussehen und mit flammenden Reden das Volk begeistern würde. Ein bisschen taktisches Geschick zu besitzen, vor allem die Cleverness, bieder zu sein, wenn die Journalisten fragen, aber vor den eigenen Anhängern provokante Reden zu schwingen, könne sicher auch nicht schaden. Die wichtigste Zutat wäre aber ein bisschen Schalk. Er unterscheidet den überzeugenden Anführer vom stumpfen Hetzer und ist hilfreich beim Kontakt mit der Außenwelt. Die ist zwar grundsätzlich feindlich gesonnen, ihr darf aber auf keinen Fall abwehrend oder verbissen begegnet werden, weil der kleine Kreis sonst wieder unter sich bliebe: Mit radikalen Spinnern, die sich auch radikal geben, will fast niemand was zu tun haben.
Um es genauer zu sagen, dieser Schalk ist kein Witz, sondern die aufblitzende Freude daran, den anderen überlegen zu sein, allein aufgrund der Tatsache, dass man vernünftigen Argumenten und Haltungen gegenüber nicht aufgeschlossen sein muss. Mit dem Mob im Rücken ist das nicht notwendig. Da können sich liberale Journalisten und die perse diskreditierten Politiker der etablierten Parteien mit ihrem Beharren auf Inhalte die Zähne ausbeissen. Wirklich traurig ist, dass die an der AfD verzweifelnden Medien- und Politikprofis beim Publikum vor allem Häme auslösen. Zu lange haben sie nahezu ungestört ihre politischen Scheindebatten aufgeführt, als dass man nun ausgerechnet ihnen die Rolle der nur an der Sache interessierten Musterdemokraten abnehmen könnte. Ihre Warnungen vor den Extremen, die im Wahlkampf ständig wiederholt werden, wären sicher wirksamer, wenn nicht inzwischen ein guter Teil des Wahlvolks glauben würde, dass von ihnen, den bereits etablierten Machtpolitikern, die viel größere Gefahr für die Demokratie ausgeht. Extremismus und Populismus sind für die Demokratie keine Gefahr, so lange sich die politische Mitte nicht vollständig korrumpiert und unglaubwürdig gemacht hat. Was aber bereits geschehen ist, indem demokratische Mitbestimmung abgemagert wurde auf das dürre Gerippe der Wahlen. Ein inzwischen völlig sinnloser Akt für den partei- und lobbylosen Wähler, da die Wahlen der politischen Kaste nur noch zur Legitimation dienen, das bestehende System zu lassen, wie es ist, und es für ihre Interessen auszunutzen.
Ich bin nicht sicher, wie weit die gar nicht so heimliche Freude über die Wahlerfolge der AfD auch in Kreise reicht, die selber nie AfD wählen würden. Vermutlich weit. Das lässt sich vielleicht psychologisch mit verdrängten Wünschen nach moralischer Entlastung erklären: Endlich gibt es eine Kraft, der man vorwerfen kann, genau die selbstsüchtigen Affekte zu vertreten, die man selbst in sich trägt, aber nicht zu äußern wagt. Wahrscheinlich führt das zu der paradoxen Situation, dass man zugleich gegen und für den Wahlerfolg der AfD sein kann. Letzlich ist es doch einfacher, auf das offen fremdenfeindliche, intolerante, eogistische Gebaren des Mobs zu zeigen, als die eigene pervertierte bürgerliche Moral zu hinterfragen. Es ist ziemlich komfortabel, die eigenen niederträchtigen Haltungen nicht selbst vertreten zu müssen. Noch besser ist es, sich von ihnen öffentlich distanzieren zu können, weil sie von der AfD zu plumper Programmatik aufgeblasen wurden. Allerdings fällt das Bekenntnis zur offenen Niedertracht zunehmend leichter und es wird sicherlich von den vielen gutbürgerlichen Freunden der AfD als Befreiung von der eigenen verlogenen Moral empfunden. Ihr ewiges Gejammer darüber, dass man hier ja nicht ja sagen dürfe, was man wirklich denkt, geht an der Wirklichkeit völlig vorbei, macht aber deutlich, wie in diesen Kreisen bisher über Politik gesprochen wurde: Hinter vorgehaltener Hand. Die Angst war doch zu groß, vor ihrem eigenen Phantasma des linken Mainstreams, der jeden abstrafen würde, der sich rechts zeigt. Natürlich gab es diese gesellschaftliche Dominanz des linken Moralismus niemals wirklich. Das ist vielleicht die größte Veränderung, die derzeit zu beobachten ist: Wie sich nationalistische und rechtskonservative Gesinnung von dem Hirngespinst befreit, dass sie bisher von linker Moral unterdrückt wurde. Und wie so oft führen neue Erkenntnisse über den eigenen Opportunismus nicht zu Scham, sondern zu übersteigertem Selbstbewußtsein.
So fliegen der AfD aus vielen Richtungen die Herzen zu. Von denen, die das etablierte System hassen und sich nichts mehr wünschen, als dass das Parlament endlich ausgeräuchert werde, aber auch von denen, die sich nicht mehr schämen müssen für ihre gierige und gewalttätige Weltsicht. Gerade Letzteres ist vor allem für bürgerliche Kreise attraktiv. In der Partei selbst fand die innere Befreiung von der verlogenen Moral mit der Vertreibung des bigotten Professors und der Inthronisierung der ersten Heiligen statt: Sankt Petry. Spätestens seit den drei erfolgreichen Landtagswahlen steht ihr dieser Titel zu. Aber ist sie auch die charismatische Führerin, auf die die Partei gewartet hat? Wahrscheinlich nicht. Schon deshalb nicht, weil sie eine Frau ist. Angeblich gilt sie im Parteivorstand inzwischen eher als Problem (s. faz.net). Vermutlich ist den Parteifreunden die mediale Präsenz ihrer Vorsitzenden unheimlich. Sie wird öffentlich mit den letzten Wahlerfolgen identifiziert und ist als Medienfigur bereits so etabliert, dass sie als Überläuferin wahrgenommen werden kann. Schließlich redet sie jetzt dauernd mit Journalisten, die von der Partei bisher dazu benutzt wurden, das Feindbild von der „Lügenpresse“ zu bedienen. Die Bunte-Homestory kann daher für sie viel eher zum Politikum werden als für einen Vertreter der „Systemparteien“. Ihr Lebenspartner redet im Bunte-Interview, wenn der Wortlaut stimmt, der in der Presse kolportiert wird, übrigens so, als hätte er sich die Frau schön gesoffen: Er fand sie mit der Zeit immer attraktiver und ist irgendwann ihrer „dämonenhaften Schönheit“ verfallen. Wenn man diese Aussagen einmal nicht als peinlich oder lächerlich abtun möchte, was nahe liegt und in der Presse derzeit auch geschieht, stellen sie charismatische Eigenschaften heraus, die im Reich der Niedertracht als echte Führungsqualitäten gelten können. Demnach besäße sie eine verführerische Ausstrahlung, die stärker wird je länger man hinschaut. Wahrscheinlich ist da etwas dran. Und da es keinen Sinn macht, sich mit Politik inhaltlich auseinanderzusetzen, jedenfalls solange nicht, bis alle etablierten Parteien beginnen, ernsthaft über eine Wiederbelebung der Demokratie einmal jenseits ihres Machtkalküls zu diskutieren, sollte bis dahin der medialen Präsentation von Politik noch mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. An dieser Oberfläche entscheidet sich, wer mitspielen darf, der Rest wird abseits des Einflusses der Öffentlichkeit verhandelt. Was immer mit ihr passieren wird, als Erscheinung hat das „smiling new face of Germany`s far-right“ (telegraph) alle Chancen, den Rechtspopulismus in Deutschland dauerhaft populär zu machen. Natürlich reicht dafür kein nettes Lächeln, dazu gehört die ganze Person, und das meint, übersetzt in die Bildsprache der Medien, die gelungene Verbindung von Aussehen und Auftritt. Die muss stimmig sein, lässt sich also nicht als allgemeines Rezept bei jedem auf gleiche Weise wiederholen. Bei erfolgreichen Machtmenschen wird aber irgendwann etwas eigenes daraus. Was könnte das für Frauke Petry sein?
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