Die Michmaschine registriert in dieser Rubrik die sich häufenden Anzeichen für die Selbstabschaffung der Demokratie.
Januar 2017
Ein Lob der Kölner Polizei für ihr großartiges Agieren an Silvester 2016! “Alles richtig gemacht!”. Nur Simone Peter fragte nach. Und erntete einen für sie bislang unbekannten Sturm an Hassmails und Morddrohungen. Rund 1.000 junge Männer (im Polizeijargon “Nafris”) vornehmlich aus dem nordafrikanischen Raum seien am Dom festgesetzt worden. Sogenanntes „racial profiling“ habe es aber nicht gegeben – also ein Vorgehen, bei dem Menschen nur aufgrund ihres Aussehens kontrolliert werden.
Die Polizei war sicher in keiner einfachen Position. Nur: dass das Handeln der Polizei fraglos als richtig bezeichnet wurde und alle rigoros abgekanzelt wurden, die darauf insistieren wollten, genauer hinsehen zu dürfen, in großer Eintracht von Politik und Medien, entspricht dem Gebaren einer obrigkeitsstaatlichen Gesellschaft. Zudem: es war genau so. Nur ein geringer Teil der vermeintlich dunkelhäutigen Afrikaner waren auch welche. Was also sonst ist racial profiling?
https://www.tagesschau.de/inland/silvester-koeln-polizei-103.html
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Am 16. Januar kommt der Staatssekretär im Senatsressort für Stadtentwicklung und Wohnen, Andrej Holm, seiner Entlassung bzw. dem Platzen den rot-rot-grünen Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus zuvor und tritt zurück. Allen Beteiligten war der Beginn einer Stasi-Karriere bekannt, die Holm als 18-jähriger 1989 begonnen hatte. Ebenso bekannt war sein Eintreten gegen Gentrifizierung und schrankenlose Kapitalverwertung auf dem Immobilien- und Wohnungsmarkt. Insbesondere die SPD, namentlich der Regierende Bürgermeister Müller oder der Abgeordnete Sven Kohlmeier erklärten, Holm sei nicht haltbar. Müller war selbst im Ressort verantwortlich, Kohlmeier kümmert sich in seiner Kanzlei um die Interessen von Investoren auf dem Immobilienmarkt.
Zukünftig werden westdeutsche Volksparteien und Historiker wohl verdiente Volksgenossen der deutschen Diktaturen vor 89 und vor 45, die danach in politische Positionen der BRD gelangt sind, benennen, ohne Ansehen ihrer späteren Haltung brandmarken und sich dafür schämen, dass diese jemals in ein politisches Amt gefunden haben.
Als historisch erwiesen darf wohl auch gelten: kein im freien Westen sozialisierter braver Bürger hätte sich – wäre er in der DDR geboren – mit einer Organisation wie der Stasi eingelassen. Wir sind nun mal geborene Demokraten.
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In seinen ersten Tagen im Amt macht US-Präsident Donald J. Trump aus einer Operetten-Truppe sein Kabinett: Milliardäre, Ex-Militärs, reaktionäre Unternehmer und Rex Tillerson, der ehemalige Präsident des Mineralölkonzerns ExxonMobil, werden zu Ministern ernannt. Eigentlich ein interessantes Experiment, eine gemeinsame politische Linie ist nicht zu erkennen. Auffällig ist allerdings, dass die Ämter vorzugsweise nach dem Muster der paradoxen Intervention vergeben werden – die neuen Amtsträger übernehmen nun Ämter und Aufgaben, deren Sinn sie vorher in Frage gestellt haben.
“Rick Perry war 2012 kurz davor, selbst US-Präsident zu werden. Dann fiel dem aussichtsreichen Bewerber der Republikaner vor laufenden Kameras das dritte Ministerium nicht mehr ein, das er abschaffen wollte. Es war das Energieministerium – als dessen Leiter ihn Trump nominiert hat.” (aus: Donald Trumps Kabinett | ZEIT ONLINE
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/donald-trump-kabinett-regierung)
Dezember 2016
Christine Lagarde, Chefin des IWF, wird wegen Fahrlässigkeit bzw. Veruntreuung von 400 Mio Euro schuldig gesprochen, aber nicht verurteilt: der IWF spricht ihr sein uneingeschränktes Vertrauen aus. Sie ist in ihrer Funktion unverzichtbar. (Die Kassiererin Emmely war 2008 wegen der umstrittenen Einlösung von zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro entlassen worden).
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VW entlässt als Folge des Abgasskandals, also des systematischen Betrugs an Kunden und Gesetzesbrüchen, rund 10.000 Beschäftigte. Offiziell haben (zeitnah zur VW-Krise) kluge Manager die Notwendigkeit der Investition in Elektroautos entdeckt. Das hier kriminelles Handeln auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, ist für die Oberen von VW sicher abwegig.
Zudem: VW zahlt in den USA über 15 Mrd Dollar Strafe und findet diesen Kompromiss fair. Unfair ist es allerdings aus Sicht des Konzerns (dessen Aktienbesitz zu 20 Prozent das Land Niedersachsen hält), den Betrug des Unternehmens auch in Europa juristisch zu verfolgen.
https://www.welt.de/wirtschaft/article156669445/So-schickt-Bruessel-VW-in-die-Pleite.html
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Bei der Berliner S-Bahn wird wieder gespart. Die Deutsche Bahn will die Wartungsfristen der Züge erneut strecken. Dies hatte in vergangenen Jahren zu massiven Zugausfällen geführt. Der ehemalige Bahnchef Mehdorn wollte die Privatisierung des Unternehmens weiter vorantreiben und es an die Börse bringen – auf Kosten der Funktionsfähigkeit des Bahnverkehrs.
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