Wie gern hätte er noch seinen Freund Viktor Orban (Kohl über Orban) an seinem Grab gewusst. Immerhin hatte dieser ihn im April 2016 in Oggersheim besucht. Kohl hatte im Vorwort zur ungarischen Ausgabe seines Buches “Aus Sorge um Europa” deutlich die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung 2015 kritisiert. ”Kulturelle und sicherheitspolitische Interessen” sowie der christlich-jüdische Glauben seien in Gefahr. Weitere “Verunsicherungen bei den Menschen” dürften nicht stattfinden: “Es geht um unsere Existenz”. – Aber nein: Helmut Kohl war ein großer Europäer. So heißt es seit Tagen überall in der politischen Berichterstattung. Wobei es sich hier wohl weniger um Kohl-Blasphemie handelt, als um die Eingemeindung des Verstorbenen in das große WIR, d.h. Grenzen dicht, Austeritätspolitik und grenzenloses Wachstum statt irgendeiner Änderung des politischen Handelns.
Die britische Regierung gibt bekannt, “Nachforschungen” hätten ergeben: rund 600 Hochhäuser in England haben eine ähnliche Verkleidung wie der abgebrannte Grenfell Tower in London. Das ist glatt gelogen. Nicht nur die Bewohner des vom Brand zerstörten Hochhauses haben sich seit langem erfolglos gegen die Wärmesanierung mit brennbarem Material aus Öl und Plastik gewehrt. Der Wohnturm, der überwiegend Gering- und Normalverdiener beherbergte, enthielt nicht einmal Brandmelder und Sprinkler. – Bei der Sanierung von Luxuswohntürmen in GB oder in USA kommen Brandbeschleuniger, wie man die im Grenfell Tower verbaute Stoffe nennen muss, nicht mehr zum Einsatz. Insgesamt haben Politik und Planer den Interessen der Baustofflobby auch in Deutschland bislang nichts entgegengesetzt.
FAZ Plus, 18.6.2017. Niklas Maak: Die moderne Stadt. Architektur als Verbrechen: Was wir aus dem Fall des abgebrannten Grenfell Tower lernen müssen
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Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) – eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, deren Aufgabe es ist, internationale Arbeits- und Sozialstandards durchzusetzen – sind weltweit 168 Millionen Kinder prekär beschäftigt, die Hälfte davon ist zwischen fünf und elf Jahre alt. Viele werden in Regionen ausgebeutet, die von Konflikten und Katastrophen betroffen sind. 85 Millionen der Kinder arbeiten unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie knüpfen Teppiche, arbeiten in der Baumwollproduktion, beim Anbau von Kaffeebohnen, sie stellen Feuerwerkskörper und Streichholzschachteln her, arbeiten in der Seidenindustrie oder dem Abbau von Tantalerz, das für Mobiltelefone gebraucht wird. Oder sie arbeiten in den indischen Steinbrüchen. Zwei Drittel aller Grabsteine auf deutschen Friedhöfen kommen aus Indien. Um Grabsteine, die auch durch Kinderarbeit produziert wurden, zu verbannen, haben einige Bundesländer Gesetze beschlossen. 90 Prozent des Pflasters in deutschen Städten stammt aus Indien.
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