Nach der Musik änderte die Moderatorin die Tonlage. Die Gesichter wurden ernst. Der Autor war dran. Sie las seine Kurzbiografie von der Moderationskarte ab, nur die wichtigsten Stationen einer beachtlichen Karriere, fügte sie hinzu. Er saß da wie versteinert, vorgebeugt, die Arme auf den Lehnen und blickte zu Boden. Man wisse ja, dass er sich in der Öffentlichkeit rar mache, deshalb sei es eine besondere Ehre ihn in der Sendung begrüßen zu dürfen. Es gab zaghaften Applaus und er rührte sich ein bisschen, nickte mit dem Kopf, aber seine Augen waren immer noch nicht zu sehen. Eine junge Schauspielerin, die vor ihm an der Reihe gewesen war, sah ihn an und lächelte, von Künstler zu Künstler, ihr Gesicht füllte den Raum.
Ob es seine Talkshow-Premiere ist, fragte die Moderation.
Ja, sagte der Autor.
Sie geben auch keine Lesungen, das ist ungewöhnlich, sagte sie, scheuen sie den Kontakt mit ihren Lesern?
Ich kann das nicht, sagte er und sah sie an, dabei kommen völlig falsche Töne heraus. Ich schreibe nicht, um meine eigenen Texte zu lesen, das wäre ein Bruch der Intimität zwischen Leser und Text. Als Leser sollte man schon selber lesen können.
Das war ein Lacher. Auch die Moderatorin lächelte.
Aber üblich ist das nicht, sagte sie. Das gehöre zum Kerngeschäft, ob der Verlag nicht Druck mache?
Was geht mich das an, sagte er.
Sie wollen ihre Bücher verkaufen, vermute ich mal.
Aber nicht um jeden Preis. Ich finde das abstoßend, wie die Autoren ins Rampenlicht gezerrt werden. Als wäre der Text nichts wert, wenn der Schreiber sich nicht gleich mitverkauft.
Natürlich geht es ihnen in erster Linie um ihre Arbeit,
dabei hielt sie sein neuestes Buch in die Kamera,
aber sie sind doch auch eine interessante Persönlichkeit, das muss sich doch nicht ausschließen.
Woher wollen sie denn wissen, dass ich eine interessante Person bin?
Das entnehme ich ihrem Buch, ich finde es sehr lesenswert.
Das macht doch keinen Sinn, sagte er und warf einen Blick in die Runde, es gibt überhaupt keine interessanten Persönlichkeiten.
Dann können wir unsere Sendung ja einstellen.
Von mir aus gern!
Warum sind sie dann in unsere Sendung gekommen?
Genau deshalb!
Damit wir unsere Sendung einstellen?
Kann man so sagen.
Das ist ein bisschen viel verlangt, mischte sich jetzt ihr Moderatorenkollege ein. Wir sollen unsere Sendung einstellen, weil sie sich für eine uninteressante Person halten? Das ist vielleicht auch nicht ganz fair unseren anderen Gästen gegenüber.
Die haben doch auch nichts zu sagen, sagte der Autor.
Wenn ich mal was dazu sagen darf, sagte ein Sänger, der am Anfang der Sendung seinen Auftritt gehabt hatte, ich finde das nicht sehr höflich von ihnen, aber geschenkt. Nur: Was wären sie denn ohne ihre Leser?
Dann wäre ich ein Autor ohne Leser, sagte der Autor.
Und damit wären sie glücklich?, fragte der Sänger.
Glücklich bin ich jetzt auch nicht.
Das merkt man, sagte die Moderatorin und da bereits die Musik zum Ausklang der Sendung lief, bedankte sie sich ausdrücklich bei allen Gästen und lud die Zuschauer ein, bei der nächsten Sendung am kommenden Freitag wieder dabei zu sein.
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