Neulich kam in der Tagesschau die Meldung, dass die deutsche Wirtschaft wieder enorme Exportüberschüsse erwirtschaftet hätte. Seltsam, dachte ich, ist es wirklich so lange her, dass ich Nachrichten gesehen habe. Ich meinte mich nämlich daran zu erinnern, beim letzten Mal die gleiche Meldung gehört zu haben. Mir klang noch das Wort “Export-Weltmeister” in den Ohren, ein weiterer Triumph, der dem Fleiß und sicher noch anderen hervorragenden Eigenschaften der Superdeutschen zu verdanken war.

Dann war ich – wie oft zu dieser Zeit – in Griechenland und ging quer über einen riesigen Parkplatz, der ziemlich voll besetzt war mit Reisebussen und den Leihwagen der Touristen, die weiter oben über die braunen Festungsmauern spazierten. Die Sonne brannte auf den Asphalt und natürlich gab es auf meinem Weg keinen Schatten. Als ich endlich am Rand des Platzes angekommen war, flüchtete ich mich in den Schatten einer kleinen Bretterbude wie auf eine rettende Insel, nass am ganzen Körper als wäre ich tatsächlich gerade aus dem Wasser gestiegen.

Die Bude besaß ein kleines Fenster etwa auf der Höhe meiner Hüfte, zu dem bückte ich mich hinab, um hineinzusehen und Zigaretten zu kaufen. Auf der anderen Seite saß ein junger Mann, der mich gleich auf deutsch ansprach. Er wäre in Berlin geboren, das war deutlich zu hören, jetzt würde er aber auf Kreta leben, woher seine Mutter stammte und die vor ein paar Jahren unbedingt hierher zurück wollte. Er war mitgezogen. Dass sei für ihn aber ein ziemlicher Schuss in den Ofen gewesen, wie man ja sehe. Dabei beugte er sich nach vorn, um den Kopf durch das Fenster zu stecken, ich hatte mich nämlich wieder aufgerichtet, und nur so konnte er mir ins Gesicht sehen. Er sah wirklich frustriert aus, sicher war es in seiner Hütte elend heiß. Leider würde es jetzt nicht besser werden, sagte er, immer noch mit dem Kopf draußen, im Gegenteil. Die Krise käme gerade erst richtig bei ihnen auf der Insel an. Kreta sei das Bayern Griechenlands, daher nicht so schwer betroffen. Er hätte trotzdem keine Aussicht auf einen besseren Job. Aber die Griechen würden sich nicht den Arsch abreißen lassen von den Deutschen. Diese Formulierung hatte ich so noch nie gehört, vielleicht war seine Erinnerung an die deutsche Vulgärsprache schon etwas verblasst, ansonsten sprach er fehlerlos. Wenn es richtig hart auf hart käme, würden sich die Griechen auch mit Gewalt wehren, sie seien zwar nicht so clever wie die Deutschen, die gleich doppelt an der Krise verdienen würden, aber auch nicht so feige. Irgendwer musste die deutschen Exporte ja auch gekauft haben, sagte er, und weil wir Griechen uns das eigentlich nicht leisten konnten, hat uns die Deutsche Bank das nötige Geld geliehen und die Zinsen kassiert. Jetzt sei die Blase eben geplatzt, die Zinsen können nicht mehr bedient werden, alles wäre im Arsch. Ich meinte, dass ich zwar keine Ahnung hätte, aber mich auch fragen würde, wer das ganze Zeug aus Deutschland eigentlich kaufen sollte. Das machen wir, sagte er, und gab mir die Zigaretten. Geschenkt, sagte er, und grinste über das ganze Gesicht. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, ich weiß, wie es gemeint war.