Der Innenausschuss des Landtages von NRW tagt zum Fall Amri: Statt Aufklärung oder irgendwie greifbarer Ergebnisse inszenieren die Beteiligten ein Schmierentheater, irgendetwas zwischen juristischem Proseminar, Wahlkampf und Kabarett. So erlebt es der DLF-Berichterstatter Jürgen Zurheide. (Deutschland heute, 19.1., 14.23 Uhr)

Anne Will lacht herzlich in Richtung Edmund Stoiber, der sich riesig darüber freut, mit Olaf Scholz einer Meinung zu sein. Und wirklich: beide unterscheidet vor allem das Temperament, sonst sind beide im totalen Anti-Terror-Modus. Zum Glück gibt es Anis Amri, sonst müsste man sogar noch argumentieren. Und das ginge nun wirklich zu weit! Stoiber befindet sich über weite Strecken der Sendung im Kampfmodus. (http://www.ardmediathek.de/tv/Anne-Will/B%C3%BCrger-verunsichert-Wie-umgehen-mit-kr/Das-Erste/Video?bcastId=328454&documentId=39984428) Widerspruch ist nicht zulässig. Nicht in dieser Bedrohungslage. Stoibers Rede ist unablässiges Sich-Ereifern, Schreien. Olaf Scholz gibt den besonnenen, menschlich-sympathischen Politrationalisten, will aber dasselbe wie Stoiber. Das Versagen von Sicherheitsbehörden und Polizei ist eigentlich ein Erfolg (so Scholz), wir loben alle Verantwortlichen bei Polizei und Behörden ausdrücklich. Egal, wieviel Straftaten Anis Amri begangen hat, aufgrund derer man ihn hätte allemal aus dem Verkehr ziehen können, egal welche anscheinend kaum bekannten Gesetze es gibt, deren Anwendung man hat vermissen lassen (§ 58a Aufenthaltsgesetz, § 89a StGB: Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat) – besser sei es auf jeden Fall neue Gesetze zu erlassen, die dann noch leichter einen Zugriff ermöglichten.

Offenbar ist der Vollzug bestehender Gesetze und die Aufklärung über Versäumnisse bei der Täterermittlung aktuell nachrangig gegenüber der gesetzgeberischen Anzeige von Aktivität.

Begründet wird das zum Einen mit einer Notlage, deren Ende unabsehbar ist: Terrorismus. Zum Anderen: mit der Evidenz der öffentlichen Meinung, Volkes Stimme will das so (Stoiber mehrfach bei Anne Will). Es gar nicht zu diesem Mangelbewusstsein über die Politik kommen zu lassen, also schon zu agieren, bevor der Bürger sich beunruhigt fühlt, scheint sich als die eigentliche Mission von zeitgemäßem politischen Handeln zu erweisen.

Nochmal Stoiber, der sich offenbar als inkarnierter Gesamtbürger sieht, Regierung und Opposition verkörpernd: das Recht wird nicht mehr angewendet und das Vertrauen der Bevölkerung erodiert (um Minute 47 bei Will). Stoiber gerät in autoerotische Ekstase, als er den Einsatz der Bundeswehr bei der Terrorismusabwehr fordert. – In dieser Diktion gibt es konsequent keine Grenze der Legitimation für den säkular fundamentalistischen Obrigkeitsstaat. Wer ist hier der Gefährder?

Stoiber zitiert Innenminister Jäger: Der Rechtsstaat sei mit den vorhandenen Mitteln nicht in der Lage gewesen, dem Täter vom Breitscheidplatz habhaft zu werden. Ein nicht nur von Politikern oft kolportierter Satz. – Geht das wirklich noch als Interpretation durch, oder ist das einfach Lüge? Für “Fake News” will facebook zukünftig ein Verfahren praktizieren, bei dem Fact-Checking-Organisationen Unwahrheiten dingfest machen, die dann für immer als Malus an der Falschbehauptung kleben.

Wäre es nicht möglich, auch für die öffentliche Darstellung von Terrorismusbekämpfung gesetzliche Verfahren des Schutzes vor Fake News zu etablieren, aufgrund derer Personen, die nachweislich wiederholt die Unwahrheit gesagt haben, gekennzeichnet werden müssen?