Ziemlich missverständlich: „die Bereitschaft, Fremdheit bestehen zu lassen, um sich näher zu kommen.“ (DR6) Das heiß nicht, die Anderen nicht auch mal ändern zu wollen. Sie im eigenen Sinne und Interesse zu beeinflussen (Was wäre sonst Politik?). Das seltsame therapeutische Dogma, immer nur sich selbst ändern zu können, ist Selbstaufgabe und Weltverneinung zugleich. Paartherapeutische Homöopathie! Oder sogar: Desinteresse am Anderen, getarnt als Toleranz. Außerdem bedeutet diese scheinbare Toleranz nicht, Fremdheit wirklich zu akzeptieren, sondern eher sie nicht mehr wichtig oder wahrzunehmen. Sie ist das Gegenteil von Empathie.

Fremdheit zu akzeptieren, hat mit einem Willen zur Veränderung erstmal gar nichts zu tun. Ob es nun das Selbst oder den Anderen betrifft. Akzeptanz des Fremden liegt sozusagen noch vor dem eigenen Wollen; sie besteht in der passiven Bereitschaft überhaupt anzunehmen, dass es vom Selbst Unabhängiges gibt.

Wer sich lieber als Teil von allem sehen will – biologisch, spirituell, kosmisch und so -, muss ja – paradoxerweise – erst annehmen, dass es von ihm Unterschiedenes gibt. Das psychologische Konstrukt des Selbst sollte daher als Medium verstanden werden, durch das Person und Welt miteinander vermittelt werden. Das Selbst ist die Öffnung zur Welt, die wir als Wesen mit Bewusstsein brauchen und – auch paradox –  zugleich das, was uns als eigenständiges Wesen vom Rest der Welt unterscheidet. 

Das heißt, dass wir uns nicht als Selbst begreifen könnten, gäbe es nicht die anderen, die auch ein Selbst sind. Und: Je empathischer diese Fremdwahrnehmung ist, desto besser lernen wir uns selbst kennen.