Neulich las ich in „Die Vögel“ von Andrej Bitow folgendes
Wir leben auf dem Grund eines Luftozeans… Am wogenden Himmel schwimmt ein Vogel, er rührt kaum die Flossen.
Und
In einer seltsamen Weise sind die Vögel in unserem Leben abwesend, wiewohl man sie zweifelsfrei mit unbewaffnetem Auge beobachten kann. Als ob sie am Rand unseres Bewusstseins flögen…

Das ist wahr. Dafür muss man nur die Welt auf den Kopf stellen. Im Grunde dreht er nur an ein paar Wörtern, um unsere gewohnte Sichtweise zu kippen … ein Fisch fliegt vorbei, er rührt kaum die Flügel.
Wo führt das hin, nach innen: „Als ob sie am Rand unseres Bewusstseins flögen“. Darum geht es also? Was sich am Rand unseres Denkens bewegt? Flüchtige Gedanken. Die Vögel unter den Bewusstseinsinhalten. 

Ich muss an die Spatzen denken, die um die Café-Tische hüpfen oder hüpften, weil es nur noch selten vorkommt, und was für einen lustigen Anblick sie boten, als wären sie nur gelandet, um Unfug zu machen. Und wie überraschend es immer war, plötzlich von einer Schar Vögel umringt zu sein. Als ob ihr da sein, gerade erst bewusst würde. Eine nette Überraschung, und ihr Ausbleiben fällt zwar kaum auf, macht das Dasein aber unauffällig trauriger.
Es fehlt etwas, ohne dass wir uns daran erinnern müssten. Abgerutscht über den Rand des Bewusstseins. Es bleibt spürbar. Und wie bei jedem unbeachteten Verlust rücken wir ein Stück weiter in die Mitte unseres Bewusstseins, die nur das Allergewöhnlichste enthält: Die uns bekannten Tatsachen. Die Überraschungen bleiben zunehmend aus. Der Charakter festigt sich. (Bis sich das Gefühl einstellt, von einem Alien übernommen worden zu sein. Dann ist man endlich erwachsen).

Um zu den Gewissheiten zurückzukommen (siehe DR4), muss ich von hier – den Vögeln, dem Bewusstsein usw. – nicht weit ausholen. Ich war mir immer sicher, denkend verstehen zu können, zu müssen eigentlich, um nicht unterzugehen. Die größte Kränkung bestand darin, zurückgewiesen zu werden, weil ich etwas dachte, dass andere nicht dachten oder es für unwichtig oder sogar dumm hielten. Trotzdem habe ich mich mit meinen Gedanken oft vorgewagt und wurde dafür nicht selten abgestraft. Als arrogant, als Spinner, Grübler, Kopfmensch, als „Ach, ein Philosoph“ und so weiter. Das traf mich härter, als unerwiderte Gefühle. Die konnten mich kaum verletzen, da ich meine eigenen sowieso nicht zu zeigen traute. Was sollte ich da erwarten? Große Leidenschaft – wohl kaum. Ohne darüber nachgedacht zu haben, wusste ich auch nie, was ich gefühlt hatte. Das ist immer noch so. Nur denke ich heute darüber häufiger nach.

Die Gewissheit, verstehen zu können, weil ich es will, – natürlich nicht alles, nur das, was mir liegt -, sollte ich vielleicht, meinem Programm folgend, mal auf den Kopf stellen (also: derealisieren = fremd werden lassen). Möglicherweise ein Weg in die Selbstverblödung. Ich weiß auch nicht, wie es gehen soll, einfach mal nicht verstehen zu wollen. Sich dumm stellen. Aber eine Verstellung soll es nicht werden.

Abwarten, vielleicht fliegt dazu bald eine Idee am Rand meines Bewusstseins vorbei. Da schau ich jetzt genauer hin.