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Kategorie: Wörterbuch

große Wir, das (Wörterbuch)

Als Stilmittel politischer Rhetorik und Propaganda wird das große „Wir“ oft eingesetzt, wenn ein gesellschaftlicher Zusammenhalt behauptet werden soll, der in der Realität nicht existiert. Als ein Klassiker des großen „Wirs“ kann die Aussage gelten: „Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen“. Damit soll der Eindruck erweckt werden, dass unter politischen Maßnahmen zu Lasten der ärmeren Bevölkerungsschichten, auch die Reichen leiden werden. Da dies faktisch und offensichtlich nie der Fall ist, kann diese stereotype Propagandalüge zwar leicht durchschaut werden, durch ständige Wiederholung soll sie dennoch unterschwellig beruhigend auf die tatsächlich Betroffenen einwirken.

Ein weiteres und allgemein bekanntes Beispiel ist die Standardformel: „Wir lassen uns unsere freie Lebensweise nicht von Terroristen nehmen“. In diesem Fall wird das große „Wir“ dazu benutzt, um nach Terroranschlägen oder Angriffen durch einen äußeren Feind, für bestimmte Bevölkerungsgruppen (ethnische Minderheiten, Flüchtlinge, Jugendliche, Arme, Radikale, Asoziale etc.) genau die Freiheiten einzuschränken, die angeblich geschützt werden sollen. Ebenfalls wird nach Terroranschlägen gern behauptet, sie seien „Angriffe auf unsere gemeinsamen Werte“ gewesen.  Diese Leerform kann je nach Bedarf mit verschiedenen Bedeutungen gefüllt werden, was meist der Fantasie des Publikums selbst überlassen bleibt. Die propagandistische Funktion dieser Formulierung besteht zunächst darin, „uns“ alle zu Opfern des Terrors zu machen, indem sie eben nicht auf die Toten und Verletzten hinweist, sondern auf unsere ideologische Wertegemeinschaft, das große Wir, das damit zum eigentlichen Ziel der Terroristen erklärt wird.  Der reale Gewaltakt wird mit dieser Aussage um eine symbolische Bedeutung erweitert,  die nahe legt, dass die ideelle Existenz von Werten genau in der gleichen Weise ausgelöscht werden kann, wie es mit Menschen oder materiellen Werten geschieht. Tatsächlich können normative Werte zwar selbst aufgegeben, aber nicht von einem äußeren Feind zerstört werden, und so dient die Sprachfigur vom „Angriff auf unsere Werte“ vor allem als ein Ablenkungsversuch, der darüber hinwegtäuschen soll, dass wir uns selbst nicht mehr an die gemeinten Werte halten.

„Das große Wir“ erfüllt damit den Zweck, politische und ökonomische Interessen der Machtbesitzenden und Herrschenden so zu deklarieren, als wären sie aller Vernunft nach im Sinne der gesamten Gesellschaft.

der, die Hocherotiker/in

(Wörterbuch)

Die Hocherotik wurde als ästhetische Kategorie eingeführt, um die sexuelle Erregung von Literaturkritikern bei der Rezeption von erotischen und/oder pornografischen Texten zu erklären. Dabei gilt, dass die Hocherotik aufgrund der besonderen künstlerischen Qualität ihrer Darstellung erregend wirkt, ganz im Gegensatz zur Pornografie, die durch vulgäre Bloßstellung sexueller Akte als minderwertig anzusehen ist. Die Zuschreibung der Qualität „hocherotisch“ dient als Sprachregelung innerhalb des Diskurses „Hochkultur“ dazu, Sexualität nicht mehr als schambesetzten körperlichen Triebvorgang zu verstehen, sondern als eine geistige Tätigkeit, die ausschließlich „Hochgebildeten“ zukommt.

Abgebrühte, die/der

(Wörterbuch)

Person, die öffentlich den Eindruck erweckt, dass von Anderen geäußerte Einsichten und Eindrücke (meist negativer Art) für sie „ein alter Hut“ also absolut unaufregend wären. Oft verwendete Standardformeln sind dafür z.B. „gähn“, „langweilig“ oder „das ist ja ganz was Neues“. Meistens handelt es sich bei den A. um sekundäre Medienproduzenten, die in Kommentarspalten von online veröffentlichten Inhalten zeigen wollen, dass sie schon lange durchschaut haben, was der Autor gerade darzustellen versucht. Die A. kann nichts mehr überraschen, deshalb entgeht ihnen oft, dass zwischen der Leistung einen Sachverhalt argumentativ/ästhetisch in darstellbare Form zu bringen und der einfachen Aussage „das habe ich auch schon gewusst“ ein qualitativer Unterschied besteht.

Artverwandt aber nicht identisch mit den A. sind die sogenannten Medientrolle.

Medienzombie, der

(Wörterbuch)

Abk. MZ o. Mezo

Person, deren wahrnehmbare Funktion ausschließlich darin besteht, in den Medien zu erscheinen und/oder die aufgrund ihrer Dauerpräsenz in den Medien vor Augen der Öffentlichkeit zunehmend geistig-moralisch und/oder körperlich (vor allem physiognomisch) verfällt.

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