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Lost in Media

Kategorie: Michwissenschaft (Seite 3 von 3)

Die Arbeit der Anderen

Es war David Foster Wallace, der im Jahr 2005 eine seltsame Rede hielt vor den Absolventen des Kenyon College. Er beginnt seine Rede mit einer kurzen Parabel, die etwa so geht: Treffen zwei junge Fische einen alten. Der Alte grüßt freundlich: “Morgen, Jungs! Wie ist das Wasser so?” Die beiden jungen Fische schwimmen weiter und nach einer Weile schaut der eine den anderen fragend an und sagt: “Was zur Hölle ist denn Wasser?” Weiterlesen

Big Data vs. Null Ahnung

Es treten an: Blödmann gegen Algorithmiker. Sieht schlecht aus für den Blödmann, er ergreift seine einzige Chance und flieht, kreuz und quer durchs Internet, aber Algo ist immer schon da, wenn Blödi ankommt: “Diese Angebote könnten sie interessieren” – personalisierte Werbung. Kommt man da jemals wieder raus oder ist das aussichtslos? Zalando vermisst mich auch, letzte Woche wollten sie, dass ich den Tag mit einem Lächeln beginne. Das hab ich dann gemacht und freudlos mein Laptop angegrinst, es hat nicht geholfen; heute schreiben sie: “Fritz wo bist Du? Wir vermissen Dich!” Vor 5 Jahren hatte ich eine Jacke bestellt, sie sah auf den Bildern besser aus, gut sogar, getragen habe ich sie bisher noch nicht. Das hässliche Ding. Seitdem behandelt mich Zalando sehr herzlich, wie einen guten Freund, dabei war ich nur ein einziges Mal nett zu ihnen. Das hat gereicht für eine lebenslange Partnerschaft. Diese Beziehung ist absolut einseitig, sie klammern, diese Stalker.

Warum ich damals gedacht habe, dass ich da mal was bestellen könnte, weiß ich nicht mehr so genau. Eine schicksalhafte Entscheidung, ich glaube, ich hatte einen 20-Euro-Gutschein in die Hand gedrückt bekommen. Und zwar in meiner liebsten Kneipe, wo man gut in der Sonne sitzen konnte, in einer kleinen Sackgasse, absolute Ruhe mitten in Berlin. Dann hat Zalando seine Zentrale direkt gegenüber in einem alten Industriegebäude eingerichtet. Ab 15 Uhr strömten jetzt täglich junge Angestellte des wohl irgendwie hippen Online-Händlers in die Bar, um ihre müßigen Arbeitsgespräche in Form einer ewigen After-Work-Party fortzusetzen. Das waren aufgeschlossene Leute, clubaffine Neuberliner, äußerst nervig, aufgrund ihrer vibrierend positiven Energien, aber jedenfalls immer bereit einen Gutschein zu zücken und abgeschlafften Gestalten am Tresen ein Lächeln zu schenken. Ich war dann nicht mehr oft da und musste diesen wunderbaren Ort ganz aufgeben.

Auch in der Facebook-Timeline und in meinem absolut werbeverseuchten Mail-Account meldet sich Zalando regelmäßig mit freundlichen Botschaften. Die kümmern sich so intensiv um mich, es ist beschämend, keiner meiner anderen Freunde, – ich meine die, die ich nicht beim Einkaufen kennengelernt habe – hat mir auch nur annähernd so oft geschrieben, und ich lass einfach nichts von mir hören. Vor allem weil ich bisher zu faul war, mein Konto wieder zu löschen. Würde das helfen? Ich glaube, eher nicht. Die einzige Möglichkeit wieder vom Radar zu verschwinden, besteht wahrscheinlich darin, den digitalen Tod zu sterben. Löschung aller Konten und Profile, SIM-Karte raus, Internet abmelden, das hat mich doch sowie alles nur am Rande interessiert, jetzt steck ich bis zum Hals drin. Das funktioniert doch auch nicht, oder? Was sagt der Algorithmiker dazu? Überall im Netz blieben versprengte Teile von mir hängen, Zeichen meiner realen Existenz, vollkommen ausreichend, um mir die Werbung wieder per Post zu schicken.

“I am an Antichrist”: Punk Science vs. Zombie Politics

Ich will jetzt mal etwas über “das Böse” schreiben. Ist das eigentlich erlaubt? So ein Griff in die oberste Schublade, “das Böse”, ja, genau, “das”, verlangt ja nach wissenschaftlicher Gründlichkeit, Philosophie, Psychologie und auch die Religion redet bei dem Thema nicht nur mit, sondern hat eigene alte Ansprüche, historisch betrachtet, handelt es sich beim Bösen um ihre Erfindung. Die Religion hat das Böse in die Welt gebracht, natürlich als Antipode zu sich selbst, aber das ändert nichts: Es gibt das Gute nur, weil das Böse existiert. Und nach ihrer ersten Hochzeit und dem anschließenden Niedergang sieht es heute so aus, als würde ein neues Zeitalter der Religion anbrechen, dieses Mal unter verkehrten Zeichen, im Namen eines bösen Gottes. Mag sein, dass es nicht stimmt, dass es viel zu pathetisch oder sogar selbst religiös erscheint, heute so auf die Welt zu blicken – nur, ist es gar kein Blick, also keine bestimmte Perspektive, die dazu führt, die heutige Welt wieder als ein religiöses Zerrbild einer viel komplexeren Realität wahrzunehmen, es ist gerade der Wunsch das nicht zu tun, die Vorstellung, dass alle Religionen doch schon lange ausgedient haben müssten, gerade diese Vorstellung macht doch vollkommen klar, dass es eben nicht so ist: Die meisten Menschen sind Gläubige, Anhänger institutionalisierter Religionen. Weiterlesen

Maulhelden

Vielleicht hab ich mich zu sehr daran gewöhnt, dass es Realitäten gibt, die nicht in mein Weltbild passen. Rechtsradikale, eigentlich ja unvorstellbar, ISIS, AfD, Investmentbanker, Drohnen, kämpfende Truppen und so weiter, kenne ich zwar alle persönlich nicht, gibt es aber angeblich trotzdem. Jedenfalls hör ich viel davon. Sogar soviel, dass ich mich frage, weshalb die in meiner Wirklichkeit überhaupt nicht vorkommen. Auf der Straße sehe ich alte Leute, die gibt es hier, da ich nicht mehr im Stadtzentrum wohne, Schulkinder auf dem Nachhauseweg und Hunde, die ausgeführt werden, auch ein Hausschwein ist dabei; auffällig sind die vielen gerade zugezogenen Studienanfänger und vielleicht auch ein paar Flüchtlinge, aber da bin ich mir nicht sicher und natürlich gibt es auch noch Weddinger Türken, die werden allerdings immer seltener. Der Freundeskreis deutscher Trinker vor dem Kiosk “Tante Emma”, der von einer indischen Familie geführt wird, hält sich seit Jahren einigermaßen stabil, ich nehme an, die Fluktuation ist groß, aber es gibt wohl ausreichend Nachwuchs. Weiterlesen

Allgemeine Michwissenschaft I

Wie und ob die Michmaschine zu gebrauchen ist.

Waffenbesitzer behaupten gern, dass nicht Waffen an sich gefährlich sind, sondern die Menschen, die sie missbrauchen. Der Mensch ist demnach potentiell böse, die Mittel aber, die er für seine Schandtaten nutzt, sind ethisch neutral, also moralisch nicht verantwortlich zu machen, weil sie nur Dinge sind. Und Dinge können eben nicht handeln, haben keinen eigenen Willen usw. Das hört sich plausibel an, ist aber total falsch und millionenfach widerlegt.

Wer trotzdem daran glaubt, hält Medien wahrscheinlich auch für Transportmittel für Informationen. Beide Ansichten werden in der allseits technisch reduzierten Gegenwart noch oft vertreten, ohne Widerspruch zu bekommen. Dem technischen Verstand erscheint diese einfache Rechnung nur logisch. Weiterlesen

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