Wie und ob die Michmaschine zu gebrauchen ist.

Waffenbesitzer behaupten gern, dass nicht Waffen an sich gefährlich sind, sondern die Menschen, die sie missbrauchen. Der Mensch ist demnach potentiell böse, die Mittel aber, die er für seine Schandtaten nutzt, sind ethisch neutral, also moralisch nicht verantwortlich zu machen, weil sie nur Dinge sind. Und Dinge können eben nicht handeln, haben keinen eigenen Willen usw. Das hört sich plausibel an, ist aber total falsch und millionenfach widerlegt.

Wer trotzdem daran glaubt, hält Medien wahrscheinlich auch für Transportmittel für Informationen. Beide Ansichten werden in der allseits technisch reduzierten Gegenwart noch oft vertreten, ohne Widerspruch zu bekommen. Dem technischen Verstand erscheint diese einfache Rechnung nur logisch.

Wenn wir alle das Experiment unternehmen würden, unsere Überzeugungen auf das Wesentliche zu hinterfragen, bliebe vom Ausgangsmaterial unseres gewohnten Denkens wohl wenig übrig. Zunächst würde sich dabei aber die Schwierigkeit ergeben, entscheiden zu müssen, welche Gedanken wesentlich für unsere Ansichten sind und was nur Beiwerk ist, dementsprechend auszusondern und nicht weiter zu beachten wäre. Da könnte man nie sicher sein, nicht doch falsch zu liegen. Es ist doch ganz gleich, um was es geht, eine solche Reduktion des eigenen Denkens auf die Struktur desselben, wüßte nie von welchem Punkt sie ausgehen sollte: Einen Gedanken (oder ein Gefühl) zu hinterfragen ist vielleicht noch üblich, aber verstehen zu wollen, wie und warum man ihn so gedacht hat, führt in ein endloses Labyrinth.  Wer nicht nur eine Meinung haben will, sondern an Wissen interessiert ist, muss wohl trotzdem versuchen sich selbst zu durchschauen. Zwar machen sich ständige Zweifel an den eigenen Wahrheiten unangenehm bemerkbar, so als würde da irgendetwas klemmen, als wären die Gedanken ins Stottern geraten, und am Ende weiß man womöglich nicht mehr, ob man sich glauben soll, aber es ist doch die einzige Möglichkeit nicht alle Umstände normal zu finden, an die wir uns gewöhnt haben.

Eine diese Gewohnheiten besteht inzwischen in der alltäglichen Verwendung einer Vielzahl von Medien, die nicht mehr nur „meinungsbildend“ sind, da wir sie konsumieren, sondern ebenso ich-bildend, weil sie zur Selbstrepräsentation genutzt werden.  Diese Michmaschinen lassen dabei auch neue Selbstbilder entstehen, die geprägt sind von den Eigenarten der neuen Medien und die nur noch wenig mit dem zu tun haben, was die humanistische Psychologie einmal als „inneres Selbst“ gedacht hatte. Dieses humanistische Selbst würde vor allem danach streben, seine Inkongruenzen, z.B. die nicht Übereinstimmung von Selbst- und Fremdwahrnehmung, auszugleichen, indem es seine Außendarstellung so verändert, dass sie dem Selbstgefühl entspricht. Traditionell galt eine solche Selbstoptimierung von innen nach außen dem erklärten Ziel, authentischer zu werden. Das es sich dabei immer schon um ein fragwürdiges Ziel gehandelt hat, ändert nichts daran, dass genau diese Vorstellung von Authentizität heute unter den neuen medialen Bedingungen mächtiger ist als je zuvor. So seltsam es erscheint, es ist trotzdem ganz üblich, von den Bildern des Selbst in den Medien zu fordern, dass sie authentisch wirken müssen. Authentizität ist die Währung des Erfolgs in den Medien. Dass diese irgendwie gespielt sein muss, ist kein Geheimnis. Allerdings ist sie ein individuelles Rätsel, denn bei jedem stellt sie sich auf andere Weise her. Die besten Authentizitäts-Darsteller haben verstanden, wie sie in den Medien wirken und verhalten sich dementsprechend. Das wird durch die immer größere Abdeckung aller Lebensbereiche durch die miteinander vernetzten Medien immer schwieriger. Wer will, kann inzwischen auch als Zuschauer viel leichter durchschauen, wie Personen in den Medien durch Medien konstruiert werden.

Dieses Blog will einerseits an der Herstellung dieser Transparenz arbeiten. Andererseits widerstrebt es dem Versuch, die Wirklichkeit immer höher aufzulösen, sie mit immer feineren Instrumenten zu bearbeiten und letztlich zu zerlegen. Solche Effizienz widerspricht unserem Bedürfnis nach Selbsterkenntnis, das Zeit zum Zweifeln braucht. Wir bemühen uns hier vielmehr darum, viele kleine dezentrierte Produktionsstätten zu schaffen, die nichts als Subjektivität hervorbringen. Sie produzieren Wissen im eigentlichen, nicht im ideologischen Sinne: Das ist das Wissen um sich selbst und welchen (medialen) Einflüssen es ausgesetzt ist. Diese vielen kleinen Maschinen stehen nicht wie die Druckereien früherer Revolutionäre versteckt im Keller, sie befinden sich in jedem Körper, der sich selbst wahrnehmen kann. Sie können stillliegen oder in Betrieb genommen werden, jedenfalls sind sie da – diese Michmaschinen.

(… wird fortgesetzt)