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Lost in Media

Monat: Februar 2017

Houellebecqs Lächeln

Houellebecq zu lesen, ist vielen seiner Leser widerlich. Was daran liegen mag, dass er ein ziemlich verachtenswertes Individuum ist, wie er selber sagt. Offenbar ist es in seinem Fall unmöglich, das Autorenego vom Text zu lösen, es spricht Houellebecq, der Nihilist, der Provokateur und gelassene Apokalyptiker durch alle seine Erzähler, in etwa so wie ein Filmstar nicht mehr in seiner Rolle aufgeht, selbst wenn er sie gut spielt, sondern die Rolle zum biographischen Teilchen der vermeintlichen Person wird, die der Öffentlichkeit bekannt ist. Stars, Schauspieler im Allgemeinen, leben von ihrer Beliebtheit, da endet der Vergleich mit Houellebecq. Die Beliebtheit der Stars scheint umso größer zu sein, je mehr sie es schaffen, eine ins Absurde gesteigerte Normalität zu verkörpern, also zur denkbar schönsten und größten Imaginationsfläche für das gesellschaftlich Wünschenswerte zu werden. Houellebecq steht für das Gegenteil: Er gibt sich als der zukünftige Mensch aus, den seine Texte prophezeien, als eine Art Zombie seines finanziellen und gesellschaftlichen Erfolgs. Immer wieder führt er an sich und seinen Figuren vor, dass Erfolg in dieser Gesellschaft ein Symptom dafür ist, wie weit sich eine Person an die Verhältnisse angepasst hat, um über Geld, Sex, Macht usw. zu verfügen, oder auch welches Maß an Zynismus nötig ist, um die gleichen Ziele auf anderen, brutaleren Wegen zu erreichen. Das Schöne und Bewundernswerte, das dabei in seiner Literatur entsteht, ist die radikale Ehrlichkeit, mit der Erfolg in einer korrupten Gesellschaft als Perversion dargestellt wird. Das macht ihn und seine Literatur so widerlich, für diejenigen, die einverstanden sind mit den Grundregeln nach denen gesellschaftlicher Erfolg verteilt und bemessen wird. Die Erfolgreichen wirken hässlich und abstoßend, obwohl sie von ihm genauso gezeigt werden, wie sie sich selber sehen wollen. Das ist natürlich gemein. Weiterlesen

Post Mortem Politics: Willkommen in der Postdemokratie (2)

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Februar 2017

Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat Marine Le Pen realistische Chancen. Der Kandidat der Linken Hamon scheint schon aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Partei Hollandes diskreditiert. Der konservative und neoliberale Kandidat Fillon schmiert in den Umfragen ab, nicht zuletzt aufgrund der Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau. Als Shootingstar ausgerufenen wird Emmanuel Macron, der sich liberal-demokratisch positioniert. Ob die Jugendlichkeit des ehemaligen Wirtschaftsministers ausreicht, um die bestehende Verachtung der Eliten nicht zugunsten von Le Pen ausschlagen zu lassen, bleibt abzuwarten. Le Pen und ihre aus der antieuropäischen Linken stammende rechte Hand Florian Philippot gerieren sich jedenfalls als die wahren Verteidiger des Sozialstaates.

Empörung: Donald Trump macht die Grenzen dicht. Die europäischen Regierungschefs haben allerdings für den alten Kontinent nichts anderes beschlossen. Auf dem EU-Gipfel Anfang Februar wurde die „zentrale Mittelmeer-Route“ für Afrikaner von Libyen nach Italien geschlossen. Legale Fluchtwege aus Afrika nach Europa oder die Umverteilung von Asylbewerbern innerhalb der 28 Staaten standen nicht auf der Tagesordnung. Libyen ist nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi in Chaos versunken. Die libysche Küstenwache soll nun ausgebildet und verstärkt werden, um Bootsflüchtlinge zurück nach Libyen zu schicken. Eine funktionierende Verwaltung gibt es dort nicht. Europa sichert aber zu, dass in den zu errichtenden Auffanglagern die „volle Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts“ gewährleistet werden kann.      https://www.taz.de/!5377511/

Tausende Flüchtlinge sitzen bei eisigen Temperaturen unter menschenunwürdigen Verhältnissen im Südosten von Europa fest. Weder die Regierung in Serbien noch die in Griechenland kümmert sich um ausreichende Versorgung der Flüchtlinge mit Nahrung, um den Schutz vor Kälte oder die unerträglichen sanitären Verhältnisse. Abschreckung ist das erste Gebot der christlichen europäischen Wertegemeinschaft.

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-neue-dschungel

https://www.tagesschau.de/ausland/kaelte-griechenland-fluechtlinge-103.html

Der ADAC veröffentlichte am 17.1. eine Studie zur Pkw-Maut, die Verkehrsminister Dobrindt (CSU) gegen den anfänglichen Widerstand der EU-Kommission einführen will. Für das Startjahr 2019 errechnete der Autolobbyverein eine “Unterdeckung” von 147 Millionen Euro. Dobrindt behauptet weiter einen Gewinn – den er vor allem wohl auf ideologischem Terrain erzielen will: zahlen sollen nur ausländische Nutzer der deutschen Autobahnen. So wird dem Populismus Paroli geboten. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hält die erst von der CSU so genannte “Ausländermaut” trotz Zustimmung aus Brüssel für nicht kompatibel mit EU-Recht. Generalsekretär Andi Scheuer meint: “Bei so viel fachlicher Ignoranz muss man die Frage nach dem Sinn des Wissenschaftlichen Dienstes stellen.” Klarer Fall: vernünftig ist, was der Partei nutzt.

http://www.berliner-zeitung.de/politik/zweifel-an-einnahmen-fachen-streit-ueber-pkw-maut-wieder-an-25711558

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